Bei der Einweihung des restaurierten Mühlerads fanden viele Interessierte den Weg an die Strehlgasse. Die Gemeinde hatte zu Besichtigung und Apéro geladen.
Ein schöner Tag, die Sonne scheint, das Wasser plätschert … Die Rede ist nicht vom Thurrank, sondern von einem anderen Ort am Wasser. Rund 60 Personen hatten sich am Samstag am Mülibach bei der Lindenmühle eingefunden. Die Gemeinde hatte zum Apéro geladen, um das neue Wasserrad offiziell einzuweihen. «Wir haben fast drei Jahre gebraucht, jetzt ist ein gelungenes Werk entstanden», sagte Gemeindepräsident Hansruedi Jucker in seiner Begrüssungsrede. Er lobte zudem das Zusammenspiel von Gemeinde, Kanton und dem Privatbesitzer und Lokalhistoriker Peter Bretscher.
In den 70er-Jahren bekam die Gemeinde Andelfingen das Recht, das Mühlerad laufen zu lassen, jedoch ohne Funktion, erklärte der zuständige Gemeinderat Peter Müller. Diese Attrappe drehte sich bis vor drei Jahren, als sie auseinanderfiel. Die Gemeinde musste damals entscheiden, in welchem Umfang das Rad ersetzt werden sollte. 70 000 Franken hätte ein neues ohne Funktion gekostet, 150 000 das gewählte, das so funktioniert wie vor hundert Jahren. Da die Gemeinde das ganze Mühlesystem (sechs Mühlen am Mülibach) unter Denkmalschutz stellen möchte, war die Renovation der Lindenmühle auch für die Denkmalpflege interessant, welche nun die Hälfte der Kosten übernommen hat. Auch Peter Bretscher beteiligte sich. «Für den gleichen Preis wie für eine Attrappe haben wir nun ein Rad, das historisch ‹verhebet›», ergänzte Peter Müller.
Andelfingen als Sammelpunkt
Die Mühlen und Andelfingen, das gehörte schon früh zusammen. Bereits im Mittelalter erzeugten die Andelfinger Mehl für die Selbstversorgung, und die Gemeinde war Sammelpunkt für die Verarbeitung von Getreide, heisst es in der Stauber-Chronik. Die Lindenmühle sei die älteste der sechs Mühlen, erklärte Peter Bretscher den Anwesenden am Samstag. Bereits 1306 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt, die Rede war jedoch schlicht von einer Mühle. Bis 1450 gab es in Andelfingen vier Mühlen, die Lindenmühle, die Obermühle, die Freimühle (später Haldenmühle) und die Steinmühle. 1555 kam die Untermühle und 1849 die Neumühle dazu. Allesamt wurden sie vom Mülibach betrieben.
Mit der Einführung der Eisenbahn wurde die Konkurrenz für die einheimischen Müller gross, viele gaben ihre Landmühlen auf, und die klappernden Mühleräder standen still. «Damit verschwand auch viel Dorfpoesie, und manches Dorfbild verlor von seiner reizvollen Anmut», heisst es in der Chronik.
Vom Müller zum Metzger
Ein Puzzlestück des historischen Dorfbildes ist die Restauration der Lindenmühle. Im 17. Jahrhundert übernahm sie die Müllerfamilie Arbenz. Das Haus, welches noch dazugehört, wurde um 1810 erbaut, der Besitzer war damals Jakob Arbenz-Arbenz. Dessen Enkel, ebenfalls Jakob Arbenz, verspekulierte sich Ende des 19. Jahrhunderts mit fremdem Geld. Er ging dafür ins Gefängnis, sein Besitz (darunter auch die Lindenmühle) wurde öffentlich versteigert, erzählte Peter Bretscher. Konrad Meisterhans erwarb die Mühle daraufhin und verkaufte sie 1885 an den Metzger Heinrich Sigg. «Die Mühle interessierte ihn nicht, die Wasserkraft wohl aber schon», wusste der Lokalhistoriker weiter. 1898 stellte der Metzger den Betrieb der Mühle ein, nutzte die Wasserkraft jedoch weiter.
Vor rund einer Woche hängten Peter Bretscher und Mitarbeiter der Gemeinde die Mühle wieder zusammen, und nach 120 Jahren Stillstand drehte der Mahlstein erstmals wieder. Und das tat er auch am Samstag, wobei ihm viele Interessierte zusahen.
Erster Mahlgang nach 120 Jahren