Integrative Schulung

Publiziert: 11. Juni 2019
Lesezeit: 3 min

Bereits ist wieder der grosse End-spurt im Schuljahr angesagt. Nur noch wenige Wochen sind es bis zur Sommerpause – da gilt es, sich Gedanken zu ma-chen, was noch alles erledigt werden muss, beziehungsweise, was bereits vorbereitet sein will auf das neue Schuljahr hin. Wie soll geplant werden? Sind alle Klassen mit Lehrpersonen versorgt? Es wird jüngst wieder viel über die Schule und die Vor- und Nachteile der integrativen Schulung debattiert. Wie soll das Ganze im neuen Schuljahr gehandhabt werden? In einer Studie wurde ermittelt, dass 90 Prozent der Lehrerschaft Verhaltensauffälligkeiten von Schülern, die sie an die Grenzen ihrer Kräfte bringen, als ein Hauptproblem ihres Berufsalltags nennt. 55 Prozent nennen dabei die integrative Schulung als besondere Quelle ihrer Belastung. 

Lehrperson sein ist nicht nur ein Job mit Schwerpunkt Wissensvermittlung, sondern auch eine Herzensangelegenheit. Man muss Kinder mögen. Es muss Freude bereiten, sie zu fördern, zu begleiten und zu unterstützen auf ihrer individuellen Entwicklungsreise. Was aber, wenn diese Freude getrübt wird, weil einfach die Kraft nicht ausreicht? Weil es einfach zu viel an seelischer Belastung ist? 

Wir müssen unseren guten, motivierten Lehrpersonen Sorge tragen, denn sie sind – wie das Elternhaus – Schlüsselfiguren im Leben eines jeden Kindes. Kürzlich wurde eine grosse Abhandlung über die Arten von schwierigen Schülern publiziert. Sie werden in Typen unterteilt: der Asoziale, die Nervensäge, der Randalierer, der Störenfried und der Schläger. Schrecklich, diese Namensgebung, diese Typisierung mit dem Fokus auf das Negative. 

Wer ist denn in einem solchen Schulumfeld der Verlierer? Es sind sie alle! Lehrpersonen, die ihre Begeisterung verloren haben und möglichst gut über die Runden kommen wollen und müssen. Schüler, die lernen und weiterkommen wollen, die eine häusliche Erziehung genossen haben, seelisch gut versorgt sind und nicht in der Schule erzogen werden müssen. 

Es sind aber auch die genannten «Typen», denn es stellt sich die Frage, war-um sie so sind. Klar ist, dass sie es nicht von alleine geworden sind, dass sie das nicht so gewollt haben. Vieles ist falsch gelaufen, dass sie auffallen und stören müssen. Mangelndes Selbstvertrauen und Frustrationstoleranz, mangelnder Durchhaltewillen, mangelndes Benehmen, aber auch mangelnde Bestätigung, Unterstützung, Motivation und Hilfe zur Selbsthilfe von Klein auf in der Familie und dem Umfeld zeigen seine Auswirkungen. 

Das Leben ist Entwicklung, ist Aufbau von Fähigkeiten und Ressourcen. Sind diese nicht genügend entwickelt, tritt schnell Überforderung ein, die sich in unpassendem Verhalten äussert, in einer Art Hilfeschrei! War-um will man denn nicht dar-auf hören, auch wenn die Zahl der Wutschüler immer mehr zunimmt? 

Kinder sind die besten Gradmesser einer Si-tua-tion, denn sie sind unverblümt und taktieren nicht wie die Erwachsenen. Grundsätzlich ist die Idee der Integration statt Separation gut gemeint – nur, wie weit kann das gehen? Wie weit nützt es, der Idee von intelligenten Zukunftsstrategen zu folgen und wie weit müsste die Praxis und der Alltag der Betroffenen mehr einbezogen werden? 

Sicher wäre es dar-um hilfreich, sie zu befragen, auf ihre Verbesserungsvorschläge einzutreten und daraus eine Strategie zu entwickeln, die für alle Beteiligten hilfreich und ideal wäre, damit es eben nicht nur Verlierer gibt und es gilt, möglichst gut über die Runden zu kommen. Es gäbe da sicher bessere Ansätze, als noch mehr Hilfspersonal zu rekrutieren und die unbequemen Schüler in ein «Time-out» zu schicken und alle bei ihrer Rückkehr einem noch grösseren Druck auszusetzen. Das löst die Probleme nicht. Das kostbare Leben ist doch für solche Versuche zu schade!