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3:2 verloren – und alle sind glücklich

Mit dem Schlusspfiff, aber nicht unbedingt zwingend erzielten die Suisse Legends gegen Marthalen in diesem Promi-Match das siegbringende 3:2. Ihr Coach Gilbert Gress (82) strahlte – und hat doch Sorgen.

von Roland Spalinger
03. September 2024

«Später», winkte Diego Benaglio den Interview-Wunsch ab und bahnte sich weiter den Weg zur Kabine. Schnell vorwärts kam er nicht. 70 Minuten hatte das Spiel der Suisse Legends mit ehemaligen Natispielerinnen und -spielern gegen eine Auswahl verdienter Akteurinnen und Akteure des FC Ellikon/Marthalen gedauert.

Der Torhüter, der unter anderem mit Wolfsburg Deutscher Meister wurde und vor Yann Sommer 61-mal den Kasten der Schweizer Nationalmannschaft hütete, war nach dem Schlusspfiff gefragt auf dem Marthaler Grün. Geduldig gab er Autogramme und stand für Selfies zur Verfügung. Immer wieder einen Schritt vorwärts machend bewegte sich die Traube mit und um ihn in Richtung Garderobe.

Genau das ist ein Problem dieser Suis­se Legends: Diego Benaglio (40) ist neben Giorgio Contini (50) einer der wenigen ehemaligen Nati-Stars, die allein wegen ihres Alters auch Jüngeren noch bekannt sind – Ausnahmen bilden die Frauen. Fabienne Humm, Rekordspielerin und -torschützin beim FCZ, und Vanessa Bernauer, die Aktivste bei den Legends an diesem Samstag, sind 37- bzw. 36-jährig.

Der Ă„lteste machte den Ankick
Den ältesten Akteur stellte der Gastgeber. Köbi Meister aus Oerlingen ist 73-jährig und seit 60 Jahren im Verein. Er durfte das Anspiel machen und stand 15 Minuten auf dem Platz, ehe er leicht angeschlagen und gestützt von Diego Benaglio und Marc Hottiger ausgewechselt werden musste. Weil Mar­thalen damals keine C-Junioren hatte, fing er in Neuhausen an, wechselte als B-Junior zu den Weinländern und gehörte zur ersten A-Junioren-Mannschaft des Vereins, die gleich den Schaffhauser Cup gewann. Sie hätten starke Dachsemer gehabt, sagte der gebürtige Dachsemer – der FCEM war schon immer mehr Regional- als Dorfverein. Köbi Meister blieb und spielte bis 64-jährig bei den Senioren.

Jetzt sei er noch bei den Trainings dabei. «Eimal debii – immer debii» – der Slogan des FCEM hat etwas, wie auch Präsident Oliver Diethelm in seiner Rede sagte. Er umriss kurz die Geschichte mit dem ersten Platz in Ellikon und bedankte sich für die Unterstützung. Hans Schoch, Vizepräsident des Fussballverbands Region Zürich (FVRZ) und Leiter Senioren, gratulierte im Namen des Verbands und nahm den Spruch im Leitbild ebenfalls auf. «Bleibt dem FCEM treu, egal in welcher Funktion, es braucht alle!»

Er erinnerte sich, was 1934 auch noch passierte: Servette Genf wurde Schweizer Meister und Italien gewann im eigenen Land die WM; die Schweiz schied im Viertelfinal aus.

Mit Hymne und Kommentator
Ein bisschen Länderspiel-Atmosphäre herrschte am frühen Samstagabend auch in der Raiffeisen Weinland Arena. Als sich auch das Grossaufgebot des Gastgebers vor der schönen Kulisse aufgestellt hatte, gaben die Bräseliböck die Hymne zum besten. Und tatsächlich bewegten sich dazu Lippen von Spielern!

Nach dem 0:1 in der 16. Minute brachte FCEM-Trainer Jürg Huggler schon 3.-Liga-Topscorer Loris Bosshardt. Bis dahin war Roman Bärtschi der auffälligste Marthaler gewesen, was auch Kommentator Beni Thurnheer erwähnte. Er bedauerte dessen Auswechslung. Der Grund war, vielen Akteuren Spielzeit zu geben, und nicht etwa der Zusammenprall mit Diego Benaglio. Plötzlich sei es schwarz geworden, schilderte Roman Bärtschi die Situation am Sechzehner, als er den Ball kontrollieren wollte und bereits der Torhüter bei ihm war. Er sei sich nicht mehr gewohnt, dass das so schnell gehe.

Zwei Aktive treffen
Überhaupt schenkten sich die Akteure nichts. Klar wurden die Duelle nicht überhart geführt. Dass Alain Nef (42) ein unliebsamer Gegenspieler war, der einem dicht aufsass, bekamen aber manche Marthaler Angreifer zu spüren. Trotzdem gelang den Gastgebern zuerst das 1:1 und vor der Pause das 2:1 – die Treffer erzielten die noch aktiven Loris Bosshardt per Kopf und, auf dessen Zuspiel, Pascal Rapold. Letzterer strahlte übers ganze Gesicht. Gegen Diego Benaglio einzunetzen, «das bleibt», sagte er. Ein Tor verwehrt blieb Marco Wiggenhauser, dessen satter Schuss an der Latte landete – der gross gewachsene Benaglio hatte sich langgemacht, wäre aber wohl nicht an den Ball gekommen und quittierte den Abschluss mit Applaus und gestrecktem Daumen.

Kubilay Türkyilmaz (57) sorgte vom Punkt aus für den Ausgleich. Und als alle mit einem Remis gerechnet hatten und Schiedsrichter Metin Akarpinar abpiff (er abitriert für Marthalen, brachte es bis in die 2. Liga Interregio und ist Inspizient), war es doch nicht vorbei. Zwar zeigte die Matchuhr gespielte 70 Minuten. In der Pause war sie aber nicht angehalten worden. «Wir spielen einfach bis 19 Uhr», sagte Beni Thurnheer. Dann fiel das 3:2, 19 Uhr war es noch nicht, der Schlusspfiff ertönte aber doch. Der Vorwurf «Heimschiri» kann dem Einheimischen also nicht gemacht werden.

Contini: «Spass gemacht!»
Während Marthalen oft wechselte und wegen den gleichen Nummern bei Beni Thurnheer für Verwirrung sorgte, spielten bei den Suisse Legends viele 70 Minuten durch. Zum Beispiel Giorgio Contini. «Streng und heiss» sei es gewesen, so der Winterthurer und aktuelle Assistent von Nati-Trainer Murat Yakin. Lange Wege zu gehen sei etwas anderes, als von der Seitenlinie aus Anweisungen zu geben. «Aber es hat sehr viel Spass gemacht.»

Und je jünger die Elf von Marthalen wurde, desto grösser sei der Unterschied geworden zugunsten der Gastgeber, zollte er Respekt. Trotzdem gewannen die aus seiner Sicht «Älteren und Müderen». Wegen der Routine? Das Resultat sei nicht massgebend, sagte er. Klar hätten sie die eine oder den anderen in ihren Reihen, die wüssten «wo das Tor steht». Er selber habe zwei oder drei Chancen versiebt, die früher reingegangen wären, sagte er, lachte und lächelte ins nächste Mobilphone.

Das Promi-Spiel am Samstag war der Höhepunkt der 90-Jahr-Feier des FCEM. 1200 Gäste waren anwesend. Für Marcel Merk und Jonas Eugster vom OK war das ganze Wochenende perfekt, «auch für den Verein selber». Sie hätten viele Komplimente und Unterstützung erhalten, einige Gäste hätten sich bedankt für den Aufwand.

Gilbert Gress war als Trainer der Suisse Legends vor Ort.
Gilbert Gress war als Trainer der Suisse Legends vor Ort. / Roland Spalinger

«Der Gegner war gleichwertig»

Herr Gress, gab es einen Leistungsunterschied?
Gilbert Gress: Ich würde sagen, nein. Das Spiel war umkämpft bis am Schluss. Es stand 2:2, wir haben dann das dritte Tor gemacht. Wir waren nicht besser, der Gegner war gleichwertig.

Ist Ihnen bei Marthalen ein Spieler oder eine Spielerin besonders aufgefallen?
Im Mittelfeld ein Spieler mit braunen Haaren, sehr listig, sehr schnell, den Namen habe ich nicht notiert. Und der Torwart (Daniel MĂĽller, Red.), der hat ja fast den Elfmeter gehalten.

Wie oft haben Sie solche Spiele mit den Legends?
Andy Egli macht so fĂĽnf bis sechs Partien pro Jahr ab. Ich bin zwei-, drei-, viermal dabei.

Wie gefällt es Ihnen im Weinland?
Gut! Die Leute sind gekommen und haben fünf Tore gesehen. Ich hätte mir nur gewünscht (kurze Pause) … Wir haben ein Problem im Moment: Die jüngeren Spieler, die zurücktreten, kommen nicht zu den Legenden. Die 40-Jährigen fehlen. Es wäre gut, sie zu haben.

Und dann wäre ein Gegner wie Marthalen zu schwach.
Jetzt geht es, ja. Aber wir müssen schon ein paar jüngere Spieler aufbieten können.

Wie können Sie das machen? Bessere Gagen bezahlen?
Nein nein. Es liegt an den Spielern. Sie mĂĽssen das wollen. FrĂĽher war es einfacher.

Interview: Roland Spalinger

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