Jerome Blum ist in verschiedenen Disziplinen anzutreffen. Beim Cross-Country handelt es sich um die klassischen Mountainbike-Rennen mit längeren Auf- und Abwärtspassagen. Diese Disziplin ist olympisch. Im Four-Cross (meist 4X abgekürzt) treten jeweils vier Fahrer auf einem kurzen, mit Steilkurven und Sprüngen gespickten Kurs gegeneinander an. Es ist vergleichbar mit Skicross. Enduro-Rennen dauern teilweise mehrere Tage. Die Strecken beinhalten Auf- und Abwärtspassagen. Entscheidend ist die Zeit bei den Abfahrten. Bergauf muss hingegen nur ein vorgegebenes Zeitfenster eingehalten werden. Nur bergab geht es hingegen im Downhill. Es gewinnt, wer die rasanten, oft steilen und technisch anspruchsvollen Abfahrten am schnellsten absolviert. (msa)
Für Jerome Blum kann es nicht schnell genug abwärts gehen. Auf zwei Rädern rast er zügig in unwegsamem Gelände den Berg hinunter und lässt dabei seine Konkurrenz meist hinter sich. «Es war eine perfekte Saison», sagt der 14-Jährige. In der Hot-Trail-Series, der höchsten Schweizer Klasse der Downhill-Mountainbiker, entschied er jedes einzelne Rennen der U15-Kategorie für sich. Als logische Folge gewann er auch die Gesamtmeisterschaft. Auch auf europäischer Ebene wusste er mit guten Resultaten zu überzeugen.
Auf dem Mountainbike glänzt der Kleinandelfinger durch seine Vielseitigkeit. Als Training fährt er Cross-Country und Four-Cross, wettkampfmässig Enduro und vor allem Downhill (siehe Kasten). Daneben nimmt er auch an Freestyle-Anlässen teil. Mutter Jeannine Blum erklärt: «Die wenigsten sind in mehreren Disziplinen unterwegs.» Das sei ein Vorteil, weil er so sehr unterschiedliche Fähigkeiten trainiere.
Gleichzeitig beansprucht dieser Aufwand viel Zeit. «Von Mai bis Oktober hatte ich praktisch jedes Wochenende einen Wettkampf», sagt Jerome Blum. Sechs Tage in der Woche sitze er auf dem Bike, einen Ruhetag gönne er sich jeweils. Seine Mutter lacht und meint: «Im Sommer ist das mit dem Ruhetag aber eher schwierig.»
Auf zwei Rädern oder zwei Brettern
Eine gewisse Furchtlosigkeit müsse man sicher mitbringen, um im Downhill-Sport erfolgreich zu sein, so das junge Radtalent. Es helfe zudem, schnelle Entscheidungen treffen und das Gelände gut einschätzen zu können. Ihm mache es aber einfach Spass, das Adrenalin zu spüren. «Es ist ein tolles Gefühl, etwas Neues zu schaffen – einen neuen Trick zu stehen oder eine schnellere Linie zu finden.» Zudem liebe er es, auf diese Weise Zeit mit seinen Freunden zu verbringen.
Schon früh zeigte Jerome Blum sein Potenzial. Im Alter von acht Jahren begann er mit BMX-Rennen, später wechselte er zum Cross-Country. Die Leidenschaft für zwei Räder wurde ihm praktisch in die Wiege gelegt. Beide Elternteile sind begeisterte Mountainbiker. Der Sohn spielte daneben zunächst aber auch Fussball, turnte in der Jugi und war Mitglied im Skiclub. Noch heute ist er häufig auf den Brettern unterwegs. Fuhr er früher Rennen, ist er mittlerweile eher im Freestyle zu Hause.
Die Kombination werde jedoch laufend schwieriger, erklärt die Mutter. Vor allem im Frühling. «Dann kommt es vor, dass er am Morgen Ski fährt und am Nachmittag Mountainbike.» Oft in der Lenzerheide, wo Jerome Blums Sponsor Epic Racing Team beheimatet ist.
Ohne Unterstützung unmöglich
Ohne ein Team wäre es fĂĽr den Kleinandelfinger schwierig, seiner Leidenschaft nachzugehen. Doch auch so wird der Familie viel abverlangt. «Im Sommer sind wir Zigeuner», sagt Jeannine Blum. Mit dem Wohnwagen reisen sie von Wettkampf zu Wettkampf, und das nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa. Weil Jerome Blum die Talent-Card von Swiss Olympic besitzt, erhält er von der Sekundarschule Andelfingen häufig frei oder ist von manchen Fächern dispensiert. Eine grosse Hilfe. Im Sommer beginnt er dann eine KV-Lehre an der United School of Sports, die ganz auf SportÂtalente ausgerichtet ist.
Sogar «aufgeschmissen» wären sie ohne Ralf Bechtiger, erklärt die Mutter. Der Inhaber von Bechtiger 2Rad in Andelfingen, selbst ein passionierter Biker (AZ vom 6.9.2019), unterstĂĽtzt die Familie mit seinem technischen Knowhow. «Kleinere Dinge wie einen Platten oder kaputte Felgen reparieren wir selbst, fĂĽr GrösÂseres braucht es aber einen Fachmann», so Jerome Blum. Und Schäden sind häufig, werden seine verschiedenen Fahrräder – jede Disziplin erfordert ein anderes – doch stark beansprucht.
Den Weltcup im Visier
Nächste Saison startet der Teenager in der U17-Kategorie und trifft deshalb wieder auf ältere Konkurrenten. Mit seinen diesjährigen Zeiten hätte er allerdings auch dort bereits zu den Top Five gehört. Sein Ziel ist, in Zukunft vermehrt internationale Erfahrungen zu sammeln und um die vorderen Plätze mitzufahren. Im Europacup, gerne aber auch im Weltcup. Es ist jedoch noch unklar, ob es im Weltcup eine U17-Klasse geben wird.
Das Talent, in Zukunft auch über die Landesgrenzen hinaus für Furore zu sorgen, hat Jerome Blum allemal. Voraussetzung ist natürlich, dass er von schweren Verletzungen verschont bleibt – in seinem Sport keine Selbstverständlichkeit. Der Kleinandelfinger hatte in seiner jungen Karriere bislang Glück. Mit einer Ausnahme: In seinen ersten Jahren auf dem Bike stürzte er aufgrund eines Plattens. Dabei rammte es ihm den Bremshebel tief ins Bein. «Es blutete stark und sah aus, als wäre das Bein ab», erinnert sich die Mutter. Doch eine Woche nach der Operation sei er bereits wieder auf dem Velo gesessen.
Auch jetzt gerade muss Jerome Blum aufgrund einer leichten Knieverletzung vorĂĽbergehend auf das Mountainbiken verzichten. «Nichts GrosÂses», winkt der leidenschaftliche Downhiller ab. Bereits in gut einem Monat dĂĽrfe er wieder loslegen. Die Vorfreude ist ihm anzusehen.
Abwärts auf dem Weg nach oben