OL-Sport begeistert auch junge Leute. Die Strecke zwischen Garderoben im Dorf und Wettkampfgelände im Wald legten sie übrigens zu Fuss zurück.
«Der Sturm hält sich glücklicherweise zurück», zeigte sich Paul Corrodi, Vorstandsmitglied der OLG Dachsen, bei einer Gästeführung am Sonntag erleichtert. Warnungen von diversen Wetterdiensten stellten die Durchführung der Schweizer Meisterschaft im Team-OL infrage. Sie hätten einen Krisenstab gegründet, die Entwicklungen laufend beobachtet, sich regelmässig beraten und jeweils direkt kommuniziert, ergänzte Laufleiter Dominik Müller. Schliesslich trage man als Organisator die Verantwortung für alle Teilnehmenden. «Wir wollten den Anlass aber auch nicht zu früh absagen.» Denn sei dieser Schritt einmal gemacht, gebe es kein Zurück mehr.
Die Geduld hat sich gelohnt. Zwar gab es Wind, doch war dieser nicht so stark, dass er die Läuferinnen und Läufer im Ellikerholz ernsthaft in Gefahr gebracht hätte. Rund 1100 waren in diversen Kategorien am Start, die das ganze Spektrum vom zehnjährigen Mädchen bis zum über 80-jährigen Opa abdeckten. Gestartet wurde in Nidermartel (Chinzehalde) unterhalb des Nagra-Bohrplatzes, der als Toilettenstandort diente. Die 29 Posten der Elitekategorie (knapp 19 Kilometer Laufdistanz) verteilten sich grossflächig über das gesamte Waldstück auf Marthaler, Rheinauer und Kleinandelfinger Boden.
Anlass zur Bewerbung für die Schweizer Meisterschaft hatte das 50-Jahr-Jubiläum der Orientierungslaufgruppe Dachsen (AZ vom 20.10.2023) gegeben. «An den Schulen in Dachsen und Uhwiesen gab es einige OL-affine Lehrer, was wiederum OL-begeisterte Jugendliche hervorbrachte», erzählte Dominik Müller. Und diese gründeten 1973 den Verein.
Eine Schweizer Eigenart
Die OLG Dachsen führt regelmässig auch nationale Läufe durch. Ihre «Heimwälder» sind der Cholfirst, der Stammerberg und eben das Ellikerholz, die abwechselnd zum Einsatz kommen. Letzteres sei ein «super geeignetes Gebiet für alle Arten des Orientierungslaufs», sagte Paul Corrodi. Der Team-OL, der am Sonntag im Fokus stand, ist dabei eine Schweizer Eigenart.
Anders als etwa bei einer Staffel, in der die Team-Mitglieder fest zugeteilte Etappen einzeln laufen, starten sie beim Team-OL gleichzeitig. Danach entscheiden sie selbst, wann und wo sie sich abwechseln und den Badge übergeben wollen. Denn nur dieser muss sämtliche Posten in der vorgegebenen Reihenfolge passieren. Im Ellikerholz gab es unterwegs drei Kontrollstellen, die alle drei Team-Mitglieder gleichzeitig erreichen mussten.
Um das Ganze noch etwas zu erschweren, ist es im OL üblich, dass die Läuferinnen und Läufer ihre Karten erst beim Loslaufen erhalten. Diese Dokumente seien heilig und ein bestens gehütetes Geheimnis, so Paul Corrodi. Sich vorgängig mit der Strecke vertraut zu machen, ist also nicht möglich. Auch die Einteilung in der Gruppe kann somit erst nach dem Start besprochen werden. «Die Kunst ist, sich unterwegs wieder zu finden.»
Weinländerinnen auf dem Podest
Am besten gelang dies bei der Herren-Elite dem Team OL Regio Wil mit den beiden auch international erfolgreichen Spitzenkräften Daniel und Martin Hubmann sowie Janis Hutzli. Sie benötigten für die gesamte Strecke rund 90 Minuten und distanzierten die ASTi Ticino und den OLV Baselland um rund vier beziehungsweise fünf Minuten. Das bestplatzierte Team aus der Region waren die Denzler-Brüder aus Truttikon, die für die OLG Welsikon starteten und sich mit einer Stunde und 55 Minuten auf Rang 20 klassierten.
Bei den Damen ging der Sieg an OL Zimmerberg mit Julia Jakob sowie Lilly und Paula Gross. Das Trio setzte sich mit gut einer Stunde und 31 Minuten gegen OL Biel Seeland durch (exakt eine Stunde und 32 Minuten), die unter anderem Weltmeisterin Simona Aebersold in ihren Reihen hatte. Die Spitzenathletin hatte am Tag zuvor mit ihrem Team die Sprint-Staffel in Marthalen für sich entschieden (Beitrag unten). Rang drei an der Schweizer Meisterschaft ging an ein Kollektiv aus der OLG Dachsen, der OLG Schaffhausen und dem Aargauer Bussola OK. Joëlle Meister (Dachsen), Katja Brütsch (Uhwiesen) und Rahela Brunner erreichten das Ziel nach einer Stunde, 33 Minuten und 45 Sekunden.
Rangliste
Weltmeister rennen durchs Dorf
Orientierungslauf arstiges Wetter hielt Simona Aebersold und Kasper Fosser nicht davon ab, an der Sprint-Staffel teilzunehmen. Die Schweizerin und der Norweger sind ein Paar – und beide amtierende Langdistanz-Weltmeister.
Auch wenn OL-Läuferinnen und -Läufer nicht wetterscheu sind – freiwillig im Regen stehen auch sie nicht gern. Schon gar nicht, wenn er so heftig von oben kommt wie am Samstag just zu der Zeit, als die Sprint-Staffel anstand. Auch Top-Shots der Szene machten mit, was dem Hauptevent am Sonntag (siehe Beitrag oben) geschuldet war. Sie nutzten den Lauf als Trainingsmöglichkeit.
So auch Simona Aebersold aus Biel. Die 25-Jährige wurde 2022 Europameisterin über die Mitteldistanz und holte in diesem Jahr an der WM in Flims/Laax über die Langdistanz Gold. In ihrem Heimverein Biel Seeland finden Betreuer den Vergleich mit der legendären Simone Niggli-Luder nicht so abwegig; auch Simona Aebersold könnte zur Dominatorin werden.
In Marthalen startete sie am Samstag im Mixed-Viererteam White Tigers mit ihrem Bruder Jan, Aline Schmuki sowie ihrem Partner Kasper Fosser, in Flims ebenfalls Weltmeister über die Langdistanz. Während er als Dritter des Teams unterwegs war, hielt sich Simona Aebersold unter dem Dach auf und kam erst für die Übergabe zum Absperrband.
Ein Handschlag, und sie spurtete los, konsultierte kurz das Kartenblatt und bog zielstrebig ab. Genau darin liegt der Unterschied: Spitzenläuferinnen und -läufer bleiben nicht stehen und studieren, sondern entscheiden blitzschnell, wo es langgeht. Die Karte dürfen sie erst nach dem Start anschauen. Und auch wenn sie diese gerollt bereits beim Aufwärmen dabei haben, halten sie sich daran. Sonst sei ja die Spannung vorbei, sagte ein Betreuer.
«Quite difficult» sei es gewesen, ganz schön schwer, meinte Weltmeister Fosser im Ziel. Wie viele andere blieb er nach der Ablöse stehen und prüfte, ob er in der Schnelle richtig entschieden hatte oder ob es nähere Wege gegeben hätte. Das tat nach ihm dann auch Simona Aebersold. «Cool» sei es gewesen, meinte sie. Das Dorf habe sie auf Google Maps natürlich schon angeschaut. An zwei Stellen zweifelte sie, die direkteste Linie gewählt zu haben. Vielleicht hätte man da durchgekonnt.
Für die schnellste Zeit reichte es allemal. Gut eine Stunde waren die vier zusammen unterwegs, jeder hatte zwischen 2,4 und 2,7 Kilometer zu bewältigen. Vor den Läufen der Sprint-Staffel durfte die Dorfbevölkerung auf Postensuche gehen. (spa)
Die Geduld zahlte sich aus