Europameisterin!

Leichtathletik - 4,78 Meter, neue persönliche Bestleistung, den Schweizer Freiluft-Rekord egalisiert – und vor allem: EM-Gold! Stabhochspringerin Angelica Moser griff in Rom nach den Sternen. Und gibt einen ungewohnten Einblick.

Manuel Sackmann (msa) Publiziert: 14. Juni 2024
Lesezeit: 4 min

Überglücklich. Aber auch sehr müde. So beschreibt Angelica Moser ihren Zustand wenige Tage nach ihrem gros­sen Triumph im Stabhochsprungwettkampf der Leichtathletik-Europameisterschaft in Rom. Am Montagabend etwa um 22 Uhr stand ihr Sieg fest. Wann sie danach ins Bett gekommen ist, kann die Andelfingerin nicht genau sagen. «Auf jeden Fall am Dienstag …»

Überhaupt habe sie sehr kurze Nächte hinter sich, erklärt sie. Eine EM-Gold­medaille gewinnt man nicht alle Tage, kein Wunder also, dass der Erfolg ausgiebig gefeiert wurde. Doch das musste sich die 26-Jährige erst einmal verdienen – auch nachdem der Sieg bereits feststand.

Viel zu tun nach dem Sieg
«Zunächst nahm ich alle Gratulationen meiner Konkurrentinnen entgegen, dann aber versuchte ich mich nochmals auf der Höhe von 4,83 Meter.» Es wäre der alleinige Schweizer Rekord der Frauen gewesen, gelang aber nicht. «Danach konnte ich meinen Emotionen freien Lauf lassen und mich so richtig freuen.» Mit der Schweizer Fahne in den Händen machte sich Angelica Moser auf die Ehrenrunde im Stadio Olimpico von Rom, ehe bereits wieder die Pflicht rief: In der Mixed Zone warteten die Medien. «Ich wurde von sehr vielen interviewt.»

Doch auch damit war es noch nicht getan. Nächster und letzter Programmpunkt des Tages: die Dopingkontrolle. «Nach einem Wettkampf dauert es immer ein Weilchen, bis man wieder auf die Toilette muss», erklärt die Andelfingerin. Deshalb habe sich das Ganze in die Länge gezogen. Erst danach sei sie von Familie und Fans empfangen worden. Die Feier konnte endlich beginnen.

Die Krönung
«Einfach eine riesengrosse Freude» habe sie empfunden, als ihr am Dienstag bei der offiziellen Medaillenzeremonie das Edelmetall umgehängt wurde. Es ist die Krönung ihrer bisherigen Karriere – und eine grosse Genugtuung. Zwar triumphierte Angelica Moser bereits 2021 an der Hallen-EM im polnischen Torun. Seither musste sie sich an internationalen Grossanlässen aber gleich mehrfach mit dem undankbaren vierten Rang begnügen. «Es fehlte so viele Male nur wenig zu einer Medaille. Umso schöner ist es, dass es nun gerade Gold geworden ist.»

Schon vor der EM galt sie als Kandidatin für das Podest. Schliesslich hatte sie ihre Ambitionen mit den Siegen am Diamond-League-Meeting in Marrakesch und später an einem Wettkampf in Nancy angemeldet. Das bewahrte sie in Rom aber nicht vor einem durchzogenen Start. Als sie die Latte auf ihrer Starthöhe von 4,43 Metern bereits zum zweiten Mal riss, begann wohl bei manchen Zuschauenden das grosse Bibbern.

Nicht so im Team Moser. «Ich habe ihr gesagt, sie solle wieder vom Panik-Modus in den Chef-Modus kommen», sagte Trainer Adrian Rothenbühler nach dem Wettkampf zu SRF. Auch die Athletin selbst blieb ruhig. «Ich hatte Mühe, genug Tiefe im Sprung zu bekommen, weil ich im Absprung etwas zu passiv war», analysiert sie gegenüber der «Andelfinger Zeitung». «Ich wusste aber, dass diese Höhe eigentlich kein Problem darstellt, und konnte das im dritten Versuch dann auch korrigieren.» Tatsächlich packte Angelica Moser die 4,43 Meter im dritten Versuch – und war endgültig im Wettkampf angekommen. Sie habe danach quasi neu beginnen können. «Ich dachte auch nicht mehr daran, sondern fokussierte mich auf die neuen Höhen.»

Im Wettkampfmodus
Fokus ist ein entscheidender Faktor. Stabhochsprungwettkämpfe sind zeit­intensiv. Die Gefahr, während der langen Pausen die Konzentration und die Spannung zu verlieren, ist nicht zu unterschätzen. Für Angelica Moser jedoch kein Problem. Gerade nach dem Einspringen dauere es zwar manchmal sehr lange, bis es effektiv losgehe. «Dann fahre ich wirklich nochmals herunter, ziehe die Nagelschuhe aus und lege mich hin.» Wenn dann aber der erste Sprung näherkomme, bringe sie sich wieder in den Wettkampfmodus – körperlich und mental. Und bleibt dabei.

In Rom bewies sie einmal mehr, dass sie am Tag X Bestleistungen abliefern kann. Woran liegt das? «Ich liebe Grossanlässe und springe sehr gerne an gros­sen Meetings», erklärt sie. «Es motiviert mich, wenn es um etwas geht.» An der Europameisterschaft führte sie dies – als einzige der Teilnehmenden – bis auf eine Höhe von 4,78 Metern. Damit stellte sie nicht nur eine neue persönliche Bestmarke auf, sondern egalisierte auch den von ihrer ehemaligen Trainerin Nicole Büchler 2016 in Doha aufgestellten Schweizer Freiluft-Rekord.

Der Weg stimmt
Vielleicht gelingt ihr dieser Meilenstein ja schon im August in Paris. Denn nach der EM ist vor Olympia. Es sind nach Rio de Janeiro 2016 und Tokio 2021 bereits die dritten Sommerspiele für Angelica Moser, die auch in Frankreich Chancen auf einen Spitzenplatz hat. «Das Selbstvertrauen ist sicher noch etwas gewachsen», gibt sie zu. Die internationale Leistungsdichte sei im Stabhochsprung jedoch extrem hoch. Anders als mit Armand Duplantis bei den Männern gebe es bei den Frauen keine klare Nummer eins. Es werde wohl erneut eine Bestleistung brauchen.

An der Herangehensweise werde sie aber nichts ändern. «Wir gehen einfach den Weg weiter, wie wir ihn geplant haben», sagt die Europameisterin. «Er hat ja bis jetzt sehr gut gepasst.»