Der Simulator sieht aus und verhält sich ähnlich wie ein Formel-1-Bolide
Es ist eine moderne Form des Sports: In verschiedensten Videospielen treten Menschen gegeneinander an, um die Besten ihres Fachs untereinander auszumachen. Doch der sogenannte E-Sport ist heute weit mehr als nur ein einfaches Kräftemessen vor dem Bildschirm. Er ist eine blühende Branche.
Auch Janik Pletscher ist Teil dieser wachsenden Szene. Er ist Rennfahrer und tritt auf virtuellen Strecken gegen andere an. Seine Heimat: Racing Unleashed. Dabei handelt es sich um ein 2018 gegründetes Schweizer Unternehmen mit Sitz in Cham ZG, das eigene Rennserien im Spiel Assetto Corsa organisiert und hierzulande, in Deutschland und in Spanien spezielle Simulatoren betreibt. Gebaut werden diese Hightech-Geräte (Wert pro Stück: 80'000 Franken) im italienischen Maranello, der Heimat von Ferrari. «Man spürt darin die Fliehkräfte, es holpert bei Unebenheiten auf der Piste, und der Gurt simuliert die Belastungen auf den Körper beim Bremsen und Beschleunigen», erklärt Janik Pletscher. Fast wie in einem echten Formel-1-Auto also. Doch besonders anstrengend sei die Fahrt darin trotzdem nicht, erklärt er. Zumindest nicht physisch. «Es ist sehr konzentrationslastig. Weil alles auf einem Bildschirm stattfindet sogar eher noch mehr als in einem realen Fahrzeug.»
Rückschlag gut verkraftet
Der Kleinandelfinger gehört zu den besten Simulatorpiloten. Vor Kurzem beendete er die Saison in der Challenger-Serie, der zweithöchsten Klasse von Racing Unleashed – und gewann. Zehn Rennen galt es zu absolvieren, Janik Pletscher tat dies meist von der Racing-Lounge in Kemptthal aus. Gefahren wurde in virtuellen Formel-1-Boliden auf echten Streckenklassikern wie Silverstone, Monza oder Spa-Francorchamps, aber auch auf extra für Racing Unleashed kreierten Circuits wie etwa auf dem Flughafen Zürich.
Ausgerechnet in diesem «Heim-Grand-Prix» erzielte der 18-Jährige sein schlechtestes Resultat der Saison (Rang zehn). Dank der Arbeit mit einer Mentaltrainerin aus der Region konnte er diesen Rückschlag aber gut verkraften. Fünf von total zehn Rennen beendete er auf dem Podest, zwei davon gar auf Rang eins. Die Entscheidung um die Meisterschaft fiel dennoch erst im letzten Rennen, dem «Battle of Glory». Dafür wurde Janik Pletscher extra nach München eingeladen. «Der ganze Anlass war grossartig, das Rennen selbst aber ziemlich turbulent.» Kurz zuvor sei er krank gewesen, dann habe es Probleme an seinem Simulator gegeben. «Und im Rennen wurde ich auch noch zweimal abgeschossen.» Zwischenzeitlich habe es so ausgesehen, als ginge ihm der Gesamtsieg durch die Lappen. Aber am Ende reichte es dank Rang sieben doch noch – mit zwei Punkten Vorsprung.
Aufgrund des Gesamtsiegs und seiner Klassierungen in den einzelnen Rennen sammelte er insgesamt knapp 6500 Franken Preisgeld. «Ein cooler Nebenverdienst», sagt der angehende Gebäudetechnikplaner. «Aber ich mache das nicht wegen dem Geld, sondern weil ich Freude am Fahren habe.»
Bald real statt nur virtuell?
Der Rennsport habe ihn schon immer fasziniert. «Leider hat es nie mit dem Einstieg in den Kartsport geklappt, es war schlicht zu teuer», sagt er. Vor zweieinhalb Jahren habe er dann die Simulatoren von Racing Unleashed als «relativ günstige Variante» entdeckt. Seither trainiert er regelmässig, dreimal die Woche oder mehr, entweder in Kemptthal oder zu Hause am PC – in einem umgebauten Autositz. Um auch körperlich fit zu sein, boxt er zweimal die Woche und trainiert Rumpf und Nacken.
Dank seines Erfolgs könnte es für Janik Pletscher nun bald doch noch klappen mit dem realen Renn-Cockpit. «Der Besitzer von Racing Unleashed plant, die besten virtuellen Fahrer in den echten Rennsport zu bringen», sagt der Weinländer, den die Ferrari GT-Serie besonders reizen würde. «Es wäre ein guter Einstieg», ist er überzeugt. Bereits 2025/2026 soll es so weit sein.
Doch zuvor nimmt er die höchste Stufe im Simulator in Angriff, die Racer-Serie. Das bringt einige Veränderungen mit sich, nicht nur in Bezug auf das deutlich höhere Preisgeld. Musste er sich in der Challenger-Klasse noch für jedes einzelne Rennen zuerst qualifizieren, indem er im Vorfeld in die Top-20 der internationalen Bestenliste fuhr, wird er nun fix an allen zehn Rennen am Start sein. Dafür fallen bisherige Fahrhilfen wie das Anti-Blockiersystem und die Traktionskontrolle weg. Gefahren wird ab sofort wie im echten Boliden. «Es ist eine grosse Umstellung, bei meinen ersten Versuchen war ich deutlich langsamer als bisher», gibt Janik Pletscher zu. Doch bis die neue Saison voraussichtlich im Sommer beginne, habe er noch viel Zeit für das Training. Das sei auch eine Chance. Denn sein Ziel bleibe das gleiche wie immer: «Ich will gewinnen.»
Im Video unten kann die gesamte «Battle of Glory» nachgeschaut werden. Etwa ab Minute 50 ist Janik Pletscher live in Aktion zu sehen. (Video: Youtube, Racing Unleashed)
Mit 18 Formel-1-Champion