Noe Holenstein im Dress des FC Winterthur in der Super League.
«Klein und wendig» sei Noe Holenstein gewesen, als er während seiner Kindheit beim FC Ellikon/Marthalen gespielt habe, schrieb der Verein kürzlich auf seiner Website. «Das trifft es sehr gut», sagt der Trülliker. Er habe schon früh auf höheren Altersstufen gespielt, obwohl er eigentlich noch zu jung dafür und deshalb immer der Kleinste gewesen sei. Trikots und Hosen seien meist zu gross gewesen.
Anlass für die Meldung des FCEM von Mitte Februar über sein ehemaliges Mitglied war ein grosser Karriereschritt des am 25. März 19-jährig Werdenden: Noe Holenstein hat seinen ersten Profivertrag beim FC Winterthur unterschrieben und spielt seither in der Super League, der höchsten Fussballliga der Schweiz.
In Marthalen früh gefördert
«Es ist ein Kindheitstraum, der in Erfüllung gegangen ist», schwärmt er. Schon als kleiner Junge habe er sich gewünscht, eines Tages in einem grossen Stadion vor Tausenden Zuschauenden spielen zu können. «Und dass es bei meinem Jugendverein geklappt hat, ist noch schöner.» Denn der Wechsel vom beschaulichen Marthalen in die Stadt Winterthur erfolgte früh.
«Ich war in meiner Freizeit eigentlich immer am ‹Tschutten›», erzählt Noe Holenstein. Eines Tages hätten ihn seine Freunde dazu ermutigt, doch einmal ins Training der FCEM-Junioren mitzukommen. Es gefiel ihm auf Anhieb, sodass er als Sechsjähriger in den Verein eintrat. Ein früher Förderer des jungen Trüllikers war der damalige Nachwuchstrainer Marcel Zwahlen. Er erkannte das Potenzial seines Schützlings und setzte ihn bald in höheren Altersklassen ein. Und er war einer derjenigen im Verein, der die Tür zum grossen FC Winterthur öffnete.
Ohne das Wissen der Eltern meldeten die Juniorenverantwortlichen des FC Ellikon/Marthalen das Talent zu einem Sichtungstraining beim FCW an. «Wir haben plötzlich ein E-Mail erhalten», erinnert sich Noes Mutter Mirjam Holenstein. Als Familie hätten sie sich dann gefragt, ob sie diesen Aufwand überhaupt wollten – drei Trainings pro Woche, später gar vier. «Wir waren uns aber alle einig: Noe soll selber entscheiden dürfen», sagt sie. Und für den Jungen war der Fall schnell klar.
Obwohl rund 100 Buben am Sichtungstraining teilnahmen, konnte der Weinländer die Verantwortlichen des FCW überzeugen. Die Saison spielte er noch mit den Marthaler Junioren zu Ende, im Sommer 2012, mit acht Jahren, erfolgte dann der Wechsel in die Eulachstadt. Seither schlägt sein Herz rotweiss.
Auf vieles verzichtet
Für seinen Traum, dereinst in der Super League auflaufen zu dürfen, verzichtete Noe Holenstein freiwillig auf vieles. Ab Stufe U15 kamen auch noch Morgentrainings hinzu, pro Woche stand er fortan sechsmal auf dem Rasen, die Spiele an den Wochenenden nicht miteingerechnet. «Geburtstagsfeste an Mittwochnachmittagen oder Skilager lagen deshalb nicht drin», so die Mutter. Sie, Vater Urs und überhaupt die ganze Familie unterstützen ihren Sprössling auch heute noch wenn immer möglich bei den Spielen im Stadion. Doch der Verzicht und der Wille, all den Aufwand zu betreiben, seien absolut notwendig, ist sich Noe Holenstein sicher. «Sonst schafft man es kaum bis ganz nach oben.»
Genau das hat er nun aber erreicht. Die Saison begann der mittlerweile knapp 1,80 Meter grosse Linksfüsser bei der Winterthurer U21. Im November durfte er erstmals mit der ersten Mannschaft trainieren, «quasi als Zückerchen», wie er sagt. Ab Dezember machte er die volle Vorbereitung für die Rückrunde mit, im Februar folgte der bis 2025 gültige Vertrag. Und seither durfte er zwei Teileinsätze in der höchsten Liga absolvieren, gegen Servette und gegen die Grasshoppers Zürich.
Wie Messi oder Bellingham
Von klein auf habe er Lionel Messi nachgeeifert. Entsprechend sympathisierte er auch schon immer mit dem FC Barcelona, wo der Argentinier die meiste Zeit seiner Karriere spielte. Heute zählt er auch den Engländer Jude Bellingham von Borussia Dortmund zu seinen Vorbildern. «Seine Spielweise fasziniert mich. Zudem ist er etwa so alt wie ich und spielt auf einer ähnlichen Position.» Noe Holenstein bezeichnet sich als «Mittelfeld-Allrounder». In der U21 sei er eher offensiv eingesetzt worden, in der Super League eher etwas defensiver. Er selbst sehe sich irgendwo dazwischen, tendenziell auf der linken Seite.
Vom Team sei er «mega gut» aufgenommen worden. Es helfe, dass er schon lange im Verein sei. «Einige Kollegen wie Adrian Gantenbein oder Carmine Chiappetta kannte ich bereits aus dem Nachwuchs.» Aber auch die älteren Mitspieler seien sehr hilfsbereit und unterstützten ihn, wo sie könnten.
Als Stammspieler etablieren
Elf Minuten auf höchster Stufe hat Noe Holenstein hinter sich. Wie viele bis Ende Saison und darüber hinaus noch hinzukommen, hänge in erster Linie von ihm selbst ab. «Auf diesem Niveau haben alle den Willen und das Talent. Es stellt sich die Frage: Wer hat noch mehr?» Als junger Spieler müsse er noch mehr arbeiten als die etablierten Kräfte. Doch die Chancen, dass er sich «reinkämpfen» könne, seien gut. «Alles ist ziemlich offen, es kommt auch darauf an, wie sich die Saison noch entwickelt.» Wenn er nicht im Aufgebot des Fanionteams steht, spielt er weiterhin für die U21.
Derzeit befindet er sich im letzten Jahr seiner KV-Lehre, die er im Rahmen der United School of Sports auf einer Bank absolviert. Spätestens ab Sommer will er sich voll auf seine Fussballkarriere konzentrieren. «Zuerst möchte ich mich als Stammspieler etablieren», so das Ziel des Trüllikers. Später soll dann ein nächster Karriereschritt folgen, entweder zu einem grösseren Schweizer Club oder gar ins Ausland.
Das nächste Spiel des FC Winterthur findet am Sonntag um 14.15 Uhr auf der heimischen Schützenwiese gegen St. Gallen statt. Ob Noe Holenstein zu einem weiteren Einsatz auf höchster Stufe kommt, wird sich zeigen. Die Unterstützung seiner Familie aus den Rängen wäre ihm auf jeden Fall sicher.
Wenn der Kindheitstraum wahr wird