18 von 20 für Fachstelle Alter

Region - 18, vielleicht sogar 19 der Bezirksgemeinden sagen Ja zur Schaffung und Finanzierung einer zentralen «Fachstelle Alter für Information, Koordination und Beratung». Die Projektgruppe steht, die Aufgaben sind verteilt.

Silvia Müller (sm) Publiziert: 01. Oktober 2024
Lesezeit: 4 min

Ab Ende 2025 soll es an einem zentral gelegenen Ort im Weinland eine Anlaufstelle für Fragen und Probleme geben, die ältere Menschen betreffen. Dies ist eine konkrete Massnahme aufgrund des Projekts «Älter werden im Weinland». Der Gemeindepräsidentenverband Bezirk Andelfingen (GPVA) hatte es 2017 angestossen und seither auf mehreren Ebenen vorangetrieben.
 
Bereits jetzt ist klar, dass 18 der 20 Bezirksgemeinden die Fachstelle nutzen und finanzieren wollen. Einzig Ossingen hat definitiv abgesagt. Der Gemeindevorstand von Berg am Irchel wird mit dem Projektleiter, Flaachs Gemeindepräsident Walter Staub, nochmals die Details erörtern und dann entscheiden.

Meinung der Bevölkerung eingeholt
«Wie wollen Sie älter werden, und was bräuchte es dazu?» fragte der GPVA die Bevölkerung an vier Diskussionsabenden im November 2023 (die AZ berichtete). Die Daten lieferte 2019 eine von Bund und Kantonen getragene Studie. «Demnach fehlen im Weinland ab 2045 rund 230 Pflegebetten, das entspricht zwei bis drei Altersheimen», sagt Walter Staub. Die GPVA holte auch die Meinung der Gemeinden, Ärzte, Spitex- und Pflegedienste und Kirchen ein und formulierte auf dieser Basis ein Strategiepapier (AZ vom 26.7.2024).
 
Ein Fazit: Der Bedarf an Pflegebetten und Demenzplätzen steigt auf jeden Fall. Jedoch unter Umständen weniger stark als von der Studie vorhergesagt, sofern rechtzeitig geeignete Strukturen ausgebaut würden. Denn die meisten Menschen würden im Alter gerne so lange wie möglich im gewohnten Umfeld bleiben, wenn sie sich auf Unterstützung und Betreuung verlassen könnten. Das würde in den Pflegeheimen mehr Platz schaffen für Menschen mit hohem Pflegebedarf. Doch dafür müssten in den Dörfern altersgerechte Wohnangebote geschaffen werden, die sich für verschiedene Stufen ambulanter und stationärer Betreuung eignen.
 
Drehschreibe für alle
Ebenso dringlich ist laut dem Strategiepapier auch der Wunsch nach einer zentralen Anlauf- und Koordinationsstelle, wo die Seniorinnen und Senioren und ihre Bezugspersonen spezialisierte Auskünfte und Unterstützung bekommen. Sie ist gedacht für Bereiche, in denen heute der Sozial­dienst jeder Gemeinde Kompetenzen aufbauen muss – je nach den Bedürfnissen ihrer betagten Einwohnerinnen und Einwohner beispielsweise in Fragen zum Gesundheitswesen, zu Finanzen, Unterbringung, Betreuung, Pflege.
 
Die Fachstelle wäre auch der geeignete Ort, um diese Zielgruppe auf die auf sie zugeschnittenen Veranstaltungen und Angebote in der Region aufmerksam zu machen. Einmal etabliert, soll die Fachstelle die Gemeinden entlasten und vernetzen und die Zusammenarbeit zwischen ihnen und anderen Akteuren und Leistungserbringern institutionalisieren. Falls sich dies bewährt, wäre mittelfristig auch ein Zweckverband Gesundheit denkbar.
 
Kritik an Kosten-Nutzen-Verhältnis
Der Ossinger Gemeindevorstand lehnt das Strategiepapier des GPVA und auch den Finanzierungsbeitrag an die Beratungsstelle ab. Einerseits, weil es schon jetzt genügend Beratungsmöglichkeiten für ältere Menschen gebe, sagt Gemeindepräsident Martin Widmer. Andererseits, weil der Fokus auf mehr geeignetem Wohnraum liegen müsste – für die sechs gemeindeeigenen Alterswohnungen gebe es immer eine Warteliste.

Eine Bezirkslösung wäre schön, aber Bedingung ist es nicht.

«Im Ossinger Gemeindehaus erwartet niemand einen grossen Zusatznutzen von dieser Fachstelle», sagt Martin Widmer. Die Beratungs- und Vernetzungsaufgaben leiste man bisher ohne Probleme unter dem eigenen Dach: «Das macht auch unser eigener Sozialdienst zusammen mit der Spitex gut.» Die Situationsanalyse des GPVA sei «absolut korrekt», aber bei dieser unbefristet vorgesehenen Massnahme stimme das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht. «Aus unserer Sicht wäre unser Geld nicht gut investiert.»
 
Der Startschuss ist gefallen
Seit vorletzter Woche ist das Zwölferteam um Walter Staub bestimmt. Mit ihm als Leiter und mit vier Delegierten aus Gemeinderäten arbeiten sieben Fachleute: zwei aus der Spitex, drei aus der Pflege, eine Fachperson zur Vernetzung im Alter und eine für die Moderation. «Diese Projektgruppe hat die Arbeit bereits aufgenommen. Unser Ziel ist eine startbereite Fachstelle bis Ende 2025», sagt Walter Staub.
 
Bis dann müsse allerdings noch vieles geklärt werden: Finanzen, Operationelles, Verträge, Pflichtenhefte – und nicht zuletzt der Standort. «Die Geschäftsstelle soll möglichst zentral für alle sein, doch wo, ist ebenfalls noch unklar.» Klar ist hingegen, dass der Betrieb der neuen Fachstelle mit wiederkehrenden Kosten von rund 180'000 Franken veranschlagt wird, und dass die Gemeinden ihn mit vorerst 5,50 Franken pro Einwohner finanzieren.

Truttikons Gemeindepräsident Sergio Rämi leitet den GPVA. «Es wäre schön, wenn wir eine Bezirkslösung hinbekämen, aber Bedingung ist es nicht», sagt er. Will heissen: Ohne die Teilnahme der drei bevölkerungsreichsten Gemeinden wäre die Fachstelle finanziell gar nicht machbar. Dass nun lediglich eine mittlere Gemeinde wie Ossingen mit 1700 Einwohnenden nicht mitziehe, sei «zwar nicht im Sinne des Bezirks, aber kein Hinderungsgrund».