4768 Unterschriften ändern nichts: SBB-Schalter schliesst

Andelfingen - Es war der Abschluss einer sechswöchigen Tour de Force. Sonja Baumann sammelte Tausende Unterschriften für den Erhalt des SBB-Schalters. In Bern war die Entscheidung aber bereits gefallen.

Jan Wattenhofer (jwa) Publiziert: 08. Oktober 2024
Lesezeit: 3 min

15 Minuten dauerte Sonja Baumanns Termin bei Alberto Bottini, Leiter Vertrieb und Services bei der SBB. Ihm übergab die 43-Jährige aus Niederwil die 4768 Unterschriften, die sie innerhalb von sechs Wochen für ihre Peti­tion «SBB-Schalter Andelfingen behalten» gesammelt hatte. Zuvor stellte der SBB-Vertreter jedoch klar: Ihre Forderungen – den Schalter offenhalten oder alternativ die Dienstleistungen in ein Geschäft in der Nähe auslagern – werden nicht umgesetzt. Hoffnung für den Erhalt des Reisezentrums gebe es keine, der Entscheid sei definitiv. «Das ist nicht das, was ich hören wollte», entgegnete Sonja Baumann mit einem enttäuschten Lächeln.

Der Grund sei bereits Anfang August kommuniziert worden: abnehmende Nachfrage. 96 Prozent aller Billette würden online oder am Automaten gekauft. Zudem müsse die SBB sparen.

Gemeinsam nach Bern

Den Weg in die Bundesstadt bestritt Sonja Baumann nicht alleine. Ihre beiden Töchter, ihre Schwiegermutter, eine befreundete Unterschriftensammlerin und zwei Herren der Interessengemeinschaft (IG) Tösstallinie begleiteten die Pflegewissenschaftlerin. Die Reise bedeutete den Abschluss ihres Kraftakts zum Erhalt des Reisezentrums am Bahnhof Andelfingen.

Gemeinsam stieg die Truppe in den Zug, ganz vorne in den Familienwagen. Dort auf dem mobilen Spielplatz konnten sich die zwei Mädchen von Sonja Baumann austoben, während sie sich mit Paul Stopper besprach. Der 78-Jährige kennt sich aus mit der Bahn. Er ist Präsident der IG Tösstallinie, war Verkehrsplaner beim Stadtplanungsamt Zürich und gilt als «Vater» der Durchmesserlinie, die die Bahnhöfe Altstetten und Oerlikon direkt miteinander verbindet. Auch er wollte einige Worte beim Treffen mit dem SBB-Vertreter loswerden. 

Ein beispielloses Zeichen

In Bern angekommen, ging es gleich in den nächsten Zug. Die Fahrt ins Aussenquartier Wankdorf dauerte nur drei Minuten. Schon vom Perron aus war die riesige digitale Bahnhofsuhr vor dem Hauptsitz der SBB zu sehen. 700'000 Franken soll sie gekostet haben. Kurz vor der Übergabe sei sie kaum aufgeregt, sagte Sonja Baumann. «Gestern Abend ist es viel schlimmer gewesen.»

Vor Alberto Bottini erzählte die 43-Jährige dann: «Als ich von der Schliessung gehört habe, habe ich die Faust im Sack gemacht und gedacht: Das kann doch nicht sein.» Nicht alle Personen seien genug technikerprobt, um sich digital ein Billett zu kaufen. Gruppenreisen seien schwierig zu buchen. Zudem gebe es die Vorgabe des ZVV, dass ein Schalter von zu Hause in 20 Minuten zu erreichen sein solle. Wenn jener in Andelfingen geschlossen werde, sei das nicht mehr gewährleistet. «Und es stimmt, nicht alle brauchen den Schalter, aber wir wollen ihn behalten.»

Und auch Paul Stopper durfte die Argumente der IG Tösstallinie gegen die Schliessung anbringen: Er bemängelte vor allem die verwaisten Bahnhöfe ohne Personal sowie die unpersönliche SBB-Hotline und fragte, wohin diese Entwicklungen führen würden.

Der Termin dauerte etwas länger als die vereinbarten 15 Minuten. Alberto Bottini nahm die Wünsche und Bedenken aufmerksam entgegen, dann musste er sich verabschieden. Das Ergebnis bleibt nach den Ausführungen dasselbe: Der Schalter wird per 1. Januar 2025 dichtgemacht.
 
Anfang November hätte Sonja Baumann einen weiteren Termin mit dem Direktor der ZVV gehabt: «Den werde ich absagen. Ich muss ja nicht zweimal dasselbe hören», meinte sie enttäuscht. Mit ihrer Familie ging es nach der Übergabe noch zum Bundeshaus. «Wenn wir schon einmal in Bern sind.» Ein kleiner Trost. Dennoch: Mit ihrem Engagement setzte sie ein Zeichen, das im Weinland beispiellos bleibt.