Baubewilligung ja oder nein?

Marthalen - Hätte Landwirt Jürg Rasi für sein Endlager-Mahnmal eine Baubewilligung gebraucht? «Ja», sagt das erste Urteil in dieser Frage, gefällt vom Baurekurs­gericht. «So eindeutig ist das nicht», findet Jürg Rasi. Er zieht weiter ans Verwaltungsgericht.

Silvia Müller (sm) Publiziert: 26. April 2019
Lesezeit: 3 min

Eine «unübersehbare Aktion» kündigte der Vorstand des Vereins Like Weinland (Ländliche Interessengemeinschaft kein Endlager im Weinland) bei seiner Gründung letzten Sommer an. Eine Woche später positionierte «Like» einen 30 Tonnen schweren Sandstein neben einer Kreuzung beim möglichen Oberflächenstandort Isenbuck.

Landbesitzer Jürg Rasi hatte vorgängig bewusst keine Bewilligung bei der Gemeinde eingeholt. Nicht aus Blau­äugigkeit: «Ich hatte gründlich abgeklärt, ob auf dieser Parzelle Einschränkungen lasten und welche Vorschriften eingehalten werden müssen, damit die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist», erklärt er. Beide Aspekte schienen ihm im «Fall Hinkelstein» ausreichend beachtet. Also schuf er Tatsachen. Unverrückbare. Und die brachten die Sache in Bewegung.

Umgehend bekam er einen Anruf und wenige Tage später einen Brief aus dem Gemeindehaus: Er solle ein nachträgliches Baubewilligungsgesuch einreichen. «Weil ich der Meinung bin, dass es für diesen Stein gar kein Baugesuch braucht, verlangte ich anstelle des informellen Briefs eine offizielle Verfügung beziehungsweise Einladung, gegen die Rekurs erhoben werden könnte», erklärt er.

Es geht also erst um die Frage: Braucht es für das Mahnmal überhaupt eine Bewilligung oder nicht? Bis die Gerichte dies abschliessend geklärt haben, bleibt auch offen, was mit dem Stein selbst passiert. Inzwischen, acht Monate später, liegt das erste Urteil vor, jenes des Baurekursgerichts. Es unterstützt die Sicht der Gemeinde, die sich von einer Anwältin vertreten lässt.

In der Begründung schreibt das Gericht, die Baubehörde habe zwar «einen erheblichen Ermessensspielraum» in der Frage, ob ein Baubewilligungsverfahren nötig sei – sie könne auch darauf verzichten, wenn kein öffentliches Interesse an einer vorgängigen Kontrolle bestehe. Im Zweifelsfall müsse die Behörde aber ein Verfahren einleiten. Und das Mahnmal beim Isenbuck sei kein klarer Fall.

Ackerland und Verkehrssicherheit
Zwei Dinge rücken den Stein laut dem Baurekursgericht durchaus ins öffentliche Interesse. Allen voran «die Lage des Hinkelsteins im Bereich der Strassenkreuzung zweier Staatsstrassen» – das mache aus der Sicht des Amts für Verkehr eine Vorprüfung notwendig. Zu überprüfen sei die Einhaltung der Verkehrssicherheit, besonders die Einhaltung der notwendigen Sichtweiten. «Dieser Punkt wäre heute wesentlich schneller und einfacher zu klären als in der Planungsphase», sagt Jürg Rasi. «Und vor allem bräuchte es dafür kein Baubewilligungsverfahren. Eine Begehung mit der Baubehörde und dem Amt für Verkehr würde reichen. Denn der Stein steht. Konkreter gehts gar nicht.» Doch der Gemeinderat wolle von Aussprachen und Begehungen grundsätzlich nichts wissen, bis Jürg Rasi ein Bewilligungsgesuch eingereicht habe. «Ich fühle mich gleichzeitig erpresst und wie ein Aussätziger behandelt», sagt der Landwirt.

Was ist überhaupt «eine Baute»?
Der zweite wesentliche Streitpunkt: Ist der Stein rechtlich «eine Baute»? Dann braucht es dafür sowieso eine kantonale Bewilligung, denn er steht in der Landwirtschaftszone. Bauer Rasi weiss das natürlich. Er definiert den Stein aber als «baurechtlich nicht relevantes Landschaftselement».

Das Baurekursgericht indessen hält sich an die Definition des Bundesgerichts: Bauten seien «künstlich geschaffene und auf Dauer angelegte, in fester Beziehung zum Erdboden stehende Einrichtungen» – das alles treffe auf den Hinkelstein eindeutig zu.

Baugesuch ja oder nein? Abwarten
Würde Jürg Rasi jetzt aufgeben, müsste er die Rekurskosten tragen, das Baugesuch stellen und dann das Mahnmal vermutlich schon bald abbauen. Doch er geht den anderen Weg und rekurriert gegen das Urteil beim Verwaltungsgericht. Bestätigt dieses im Herbst das aktuelle Urteil, zieht Like Weinland vielleicht auch den Gang vors Bundesgericht in Betracht. Vernetzt hat sich der Verein diesbezüglich schon jetzt. Prozessieren braucht Know-how und Geld.

Einverständliche, niederschwellige Lösungen wären Jürg Rasi lieber, beispielsweise eine Aussprache vor Ort mit allen Beteiligten. «Oder die Gemeinde könnte einfach ihren Ermessensspielraum nutzen und eine provisorische Bewilligung erteilen.»

Aus Angst, etwas falsch zu machen?


Jürg Rasi ist enttäuscht. Seit 2014 steht in Marthalens Leitbild, der Gemeinderat lehne ein Tiefenlager im Weinland ab, insbesondere in der eigenen Gemeinde, und beteilige sich aktiv und kritisch in der Standortsuche. «Davon war bisher nichts zu spüren. Von Marthalens Behörden kam seit Jahren kein Laut mehr.» Die Behördenmitglieder hätten «wohl Angst, etwas falsch zu machen»: «In der Regionalkonferenz schweigen sie, und unseren stillen und unschädlichen Protest auf Gemeindegebiet unterstützen sie auch nicht.»

Die Tatenlosigkeit der Behörden und der Bevölkerung erschüttere ihn. Nur so sei es möglich, dass die Nagra getreu ihrer Taktik den Platzbedarf sukzessive «von anfangs 5 bis auf die heute kursierenden 20 Hektaren steigern konnte, ohne dass jemand aufschreit». «In der neu zusammengesetzten Regionalkonferenz sitzen nun noch mehr desinteressierte Behördenmitglieder, die von Amtes wegen müssen», sagt Jürg Rasi. Von ihnen dürfe die Region ebenso wenig Unterstützung beim Widerstand erwarten wie vom Kanton. (sm)