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Zu Wasser haben wir den Rhein bereits erkundet, nun ist der Landweg an der Reihe. Per Velo geht es um die Rheinschleife und am rechten Flussufer entlang bis Rüdlingen – eine Strecke, auf der ein Mountainbike von Vorteil ist.

von Manuel Sackmann
06. August 2024

Wo er dem Hasen am Vorabend gute Nacht gesagt hat, weiss ich nicht. Mich begrüsst der Fuchs am frühen Morgen jedenfalls am Waldrand unterhalb von Alten. Meine Sommerserie-Veloetappe beginnt zwar erst in Rheinau, doch als Andelfinger muss ich dafür zunächst dorthin gelangen. Dazu wähle ich die idyllische Route durch die Thurauen und via Ellikon am Rhein. Und um die grösste Sommerhitze möglichst zu vermeiden, fahre ich zeitig los. Meine vorgesehene Strecke von Rheinau dem rechten Flussufer entlang bis Rüdlingen (mit einigen Abstechern) misst rund 15 Kilometer, die ganze Rundtour von und bis Andelfingen ist eher 35 bis 40 Kilometer lang.

Als offiziellen Startpunkt der Sommerserie-Etappe und meinen ersten Rastplatz definiere ich die Gotthardwiese unweit des Aquarina, ein gemütlicher Aussichtsplatz mit schöner Sicht auf Rhein, Bergkirche und Kloster. Direkt daneben führt ein Weg hinunter auf die Chorbstrasse und schliesslich zum Kraftwerk. Ich will das Hauptwehr überqueren, um die Rheinschleife auf deutscher Seite abzufahren. Am anderen Flussufer stellt sich mir bereits ein erstes Hindernis in Form einer kurzen Treppe in den Weg. Dank einer Schiene auf der Seite lässt sich das Velo aber gut hochschieben. Oben angekommen, biege ich links ab und folge dem Waldweg, vorbei an weiteren Aussichtspunkten, die vom Blick auf die Südfassade des Klosters dominiert werden.

Es geht steil abwärts
Bald führt mich der Pfad aus dem Wald hinaus und ein Stück weg vom Rhein durch ein Feld. Da ich aber geplant habe, möglichst dem Flussufer zu folgen, suche ich nach einem Abstieg. Diesen entdecke ich kurz nach dem Feld etwas in der Vegetation versteckt. Spätestens jetzt bin ich froh, ein Mountainbike zu fahren, denn es geht auf erdigem Untergrund und zwischen Baumstämmen hindurch steil bergab. Dann befinde ich mich aber wirklich direkt am Flussufer, wo ein lauschiger Grillplatz zum Verweilen einlädt.

Nach kurzer Trinkpause fahre ich weiter, jetzt bequem dem Ufer entlang, beobachte die Wasservögel bei der Morgentoilette, passiere die Jestetter Kläranlage und gelange schliesslich auf die Strasse und zur alten Zollbrücke. Wer sich die Zusatzrunde um die Rheinschleife sparen will, kann natürlich auch hier statt beim Hauptwehr von der Schweizer auf die deutsche Flussseite wechseln.

Ein Hoch auf das Mountainbike
Die Strasse führt nun den Berg hoch nach Jestetten, ich will aber weiter so nahe wie möglich am Rhein bleiben. Also lenke ich direkt nach der Brücke links in einen Fussweg – und bin wieder froh um mein Mountainbike. Der kleine Pfad ist voller Wurzeln und entsprechend holprig. Wer gerne im Gelände unterwegs ist, wird hier auf seine Kosten kommen, alle anderen nehmen besser die Strasse und biegen zu einem späteren Zeitpunkt wieder Richtung Rhein ab.

Glücklicherweise ist die Wurzelstrecke relativ kurz. Bald fahre ich wieder komfortabler dem Ufer entlang und an einer Stelle vorbei, die vor einem Jahr aufgrund eines Mordfalls traurige Bekanntheit erlangte. Bemalte Steine erinnern noch an die grausige Tat. Ich lasse den Ort rasch hinter mir und treffe auf das Strässchen, das von der Hauptstras­se zur Badewiese Jestetten hinunterführt. Wer sich gegen die Wurzelstrecke entschieden hat und stattdessen wie die Autos den Berg hoch gefahren ist, gelangt hier wieder auf meine Route.

Stägeli uuf, Stägeli ab
Vor der Badewiese führt ein weiterer Weg wieder den Berg hoch und später in das zu Lottstetten gehörende Dorf Balm. Doch er ist steil, verwachsen und ausgeschwemmt. Ich überquere deshalb die Badewiese und finde an deren südlichen Ende einen schmalen Pfad, dem ich folge. Weit komme ich jedoch nicht, versperrt mir doch eine Treppe den Weg. Ich habe keine andere Wahl, als mein Zweirad zu schultern und den Aufstieg zu Fuss in Angriff zu nehmen. Oben angekommen, sattle ich meinen Drahtesel, nur um nach kurzer Dauer wieder an eine Treppe, diesmal abwärts, zu gelangen. Und das Stägeli-uuf-Stägeli-ab-Spiel wiederholt sich ein zweites Mal.

Dann aber habe ich mächtig Spass. Das schmale Waldweglein geht ohne grössere Hindernisse sanft auf und ab und nach links und rechts, sodass ich mich zügig durch die Bäume schlängeln kann, bis ich am Badeplatz Balm ankomme.

Der Berg ruft
An dessen Ende verbietet mir eine Tafel jedoch die Weiterfahrt: Privatgrund! Mir schwant Übles. Und tatsächlich muss ich der befestigten Strasse ins Dorf folgen – ein steiler, nicht enden wollender Aufstieg. Immerhin bleibt mir die Schmach erspart, von einem in aufrechter Position sitzenden E-Bike-Fahrer überholt zu werden, während ich mich jämmerlich über den Lenker gebeugt den Berg hochkämpfe. Dabei bleibe ich immer bemüht, beim Passieren der in ihren Gärten beschäftigten Balmer keinen allzu gequälten Eindruck zu machen. Oben angekommen, hänge ich dann erst einmal an der Wasserflasche wie das Jungtier an Mutters Zitze.

Der Aufstieg nach Balm ist der anstrengendste Teil der ganzen Fahrt. Danach kann ich relativ entspannt durch Felder und Wälder dem Rhein folgen, bis ich die Uferwiese Giesse erreiche. Dieser grosse Badeplatz gegenüber von Ellikon am Rhein bietet Gästen unter anderem auch ein Volleyballfeld und einen Tischtennistisch. Und wem die Velofahrt bis hierhin genug war, kann nur ein kleines Stück weiter flussabwärts die Fähre nach Ellikon besteigen und abkürzen.

Zu Besuch bei Oskar
Ich aber will nach Rüdlingen, weshalb ich bei der Anlegestelle der Rüedi­faar wieder den Berg hoch radle. Fortan führt mich der Weg meist der oberen Kante des Hügels entlang, sodass ich auf den Fluss hinabblicke. Zwar gibt es unten am Ufer einen sehr schönen Pfad, allerdings ist dieser für Velos verboten. Wenn der Bereich nicht gerade überschwemmt ist, können Fussgänger dort über viele kleine Brücken dem Rhein und vor allem dessen Altarm folgen – ein Paradies für Vogelbeobachter.

Immerhin: Auch von oben herab bieten sich regelmässig ansprechende Ausblicke auf das Naturschutzgebiet. Ich fahre weiter und gelange schliesslich an meinen Zielort Rüdlingen. Ich könnte nun den direkten Weg zum gros­sen Parkplatz beziehungsweise der Badestelle bei der Rheinbrücke nach Flaach nehmen, entscheide mich zum Schluss aber für einen Abstecher ins Dorfinnere. Ich will Oskar einen Besuch abstatten. Der imposante Karpfen lebt seit den 90er-Jahren im Brunnen vor dem Restaurant Stube (AZ vom 12.7.2024) und beäugt seinen Gast neugierig.

Nach dem obligatorischen Foto ziehe ich in Richtung Flaach weiter. Dort bietet sich Interessierten ein Besuch im Naturzentrum und der Badi an. Ich verzichte jedoch darauf, meine Tour neigt sich an diesem Freitagmorgen dem Ende zu – ich werde auf der Redaktion in Andelfingen erwartet.

Dem Rhein entlang

Verkehrsweg, Grundwasserträger, Schauplatz von Märchen und Sagen: Der Rhein hat viele Gesichter. Für unsere fünfteilige Sommerserie ist er für einmal kühlender Bade-, Ausflugs- und Ruheort. Für den vierten Teil strampelte unser Autor mehrheitlich auf deutscher Seite von Rheinau nach Rüdlingen. (az)

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