Die Ursache: Fehlende Bolzen

Henggart - Im Sommer 2022 kollidierte eine S33 mit dem Ausleger eines Bauzugs. Nun wurden drei für den Vorfall verantwortliche Mitarbeiter per Strafbefehl verurteilt. Sie hatten damals Sicherheitsvorschriften missachtet.

Tizian Schöni (tz) Publiziert: 07. Februar 2025
Lesezeit: 4 min

Manch ein Berufspendler wird sich daran erinnern: Im Sommer 2022 krachte ein in den Bahnhof Henggart einfahrender Personenzug in den Ausleger eines Bauzugs, der auf das Gleis der S-Bahn hinüberragte. Durch den Aufprall schlug der Arm der Maschine in die andere Richtung und traf mit voller Wucht eine Werbetafel auf dem Bahnhofsperron (AZ vom 8.6.2022).

Ein Video, auf dem der Unfall zu sehen ist, tauchte im Netz nur Stunden nach dem Vorfall auf. Gefilmt hatten ihn vier Jugendliche, die sich kurz zuvor noch auf dem Perron aufgehalten hatten. Glücklicherweise wurden weder sie noch Zugpassagiere oder das Personal der SBB bei dem Vorfall verletzt.

Nun ist klar, wie es zu dem Unfall kam. Wie aus den Strafbefehlen der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland hervorgeht, war der Bauzug für die im Sommer 2022 anstehenden Bauarbeiten an der Bahnlinie zwischen Henggart und Winterthur im Einsatz. Zwischen den Schichten – also tagsüber – wurde er im Bahnhof Henggart auf dem Stumpengleis abgestellt. In der Nacht war er aber in Hettlingen unterwegs, wo die Erneuerungsarbeiten stattfanden.

Teil dieses Zugs waren fünf Wagen mit einem sogenannten «Dynamic Hopper System» (DHS). Im Prinzip handelt es sich um Wagen für Schüttgut, zum Beispiel Gleisschotter oder Aushub. Im Boden des Ladetrichters ist ein Förderband eingebaut, das in einem schwenkbaren Arm endet. So kann das System entweder den dahinterstehenden Wagen direkt befüllen oder seinen Arm um bis zu 45 Grad von der Gleisrichtung weggedrehen, um Material neben die Schiene abzuladen.

Viele Zufälle ...

Normalerweise werden diese ausschwenkbaren Abladepfeile mit zwei Bolzen gesichert, sobald der Bauzug rangiert wird. Dies wurde beim letzten Wagen in der Komposition allerdings vergessen – und zwar schon bei der Wegfahrt von der Baustelle in Hettlingen um etwa vier Uhr morgens am 2. Juni. Wie es im Strafbefehl heisst, sei der Sicherheitsmangel unentdeckt geblieben, weil der Abladepfeil hydraulisch in angehobener Position gehalten wurde. Dies verhinderte, dass der Arm bereits auf der Fahrt auf das Abstellgleis ausschwenkte. Das Hydrauliksystem wiederum sei nur deshalb aktiv gewesen, weil die Motoren der DHS-Einheiten gelaufen seien, um die Beleuchtung des Zugs in der Nacht zu gewährleisten.

Zum Auftakt der nächsten Schicht um sieben Uhr abends desselben Tages wollten ein Lokführer und sein Rangierleiter den Bauzug wieder vom Stumpengleis auf das Gleis 1 schieben, um ihn zu einer anderen Baustelle in Winterthur zu transferieren. Dabei sei der ungesicherte Abladepfeil am letzten Wagen ausgeschwenkt und habe einen Signalmasten umgedrückt. Nun ragte das Förderband auf das benachbarte Gleis.

Der Lokführer der darauf fahrenden S-Bahn leitete zwar noch eine Schnellbremsung ein und betätigte das Zugshorn. Doch die etwa 70 km/h schnelle S33 konnte nur noch bis auf etwa 30 km/h herunterbremsen, bevor sie mit dem Arm kollidierte.

... zu wenig Kontrolle

Für die «fahrlässige Störung des Eisenbahnverkehrs» mussten schliesslich drei Personen geradestehen. Am schwersten traf es den Rangierleiter, der den Bauzug von Hettlingen nach Henggart gebracht hatte. Er hätte überprüfen müssen, ob die Wagen entsprechend gesichert waren. Zudem hätte er die Transportbereitschaft des Zugs laut den Fahrdienstvorschriften seinem Nachfolger schriftlich bestätigen sollen, auch das unterliess er.

Die Staatsanwaltschaft schlug ihm eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 170 Franken vor – unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. Definitiv bezahlen muss er eine Busse und weitere Kosten über rund 4200 Franken. Für die Sicherung selbst wäre indes der Chefmaschinist des Bauzugs aus derselben Schicht verantwortlich gewesen. Bei ihm fällt die Höhe der Tagessätze und der Busse etwas niedriger aus.

Schliesslich traf es auch den Rangierleiter, der den Zug am Abend nach Winterthur hätte bringen sollen – auch er unterliess die vorgeschriebene Prüfung des Zugs. Auf ihn entfällt eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 120 Franken, die er nur zahlen muss, wenn er innert zwei Jahren erneut straffällig wird. Definitiv kommen eine Busse und Verfahrenskosten von 2600 Franken auf ihn zu. Die jeweiligen Lokführer traf laut den vorliegenden Strafbefehlen keine Schuld