Herr Farner, wie oft brauchen Sie den SBB-Schalter am Bahnhof Andelfingen?
Martin Farner: Vor allem in meiner Zeit als Präsident des Schützenvereins Oberstammheim habe ich den Schalter regelmässig aufgesucht, um Reisen zu organisieren und Gruppenbillette zu kaufen. Heute bin ich zwar noch viel mit dem Zug unterwegs, seit ich ein Generalabonnement habe, sind die Schalterbesuche aber weniger geworden.
Genau das ist das Hauptargument der SBB für die Schliessung des Reisezentrums: die sinkende Nachfrage. Reicht Ihnen das als Grund, den Schalter dichtzumachen?
Das Argument ist für mich teilweise nachvollziehbar. Wenn ich aber daran denke, dass das Angebot für den ganzen Bezirk verloren geht, finde ich die Begründung sehr billig. Besonders dann, wenn fast 5000 Leute eine Petition unterschreiben. Das ist immerhin jede sechste Person aus dem Bezirk – auch ich und die anderen Weinländer Mitglieder des Kantonsrats haben die Bittschrift unterzeichnet. Es sind zudem nicht alle gleich geübt im Umgang mit dem Smartphone. Wir haben viele ältere Leute, die dankbar sind, wenn sie ihre Billette direkt bei einer Fachperson beziehen können.
Sonja Baumann hat am letzten Freitag ihre bereits erwähnte Petition mit 4768 Unterschriften am Hauptsitz der SBB in Bern abgeliefert. Dort wurde sofort klargestellt, dass die Schliessung beschlossene Sache sei. Was halten Sie von dieser Reaktion bei der Übergabe?
Diese Abfuhr ist eine Ohrfeige und für mich nicht tragbar. Wie Frau Baumann das in kürzester Zeit auf die Beine gestellt hat, verdient grossen Respekt. Da sieht man, was möglich ist im Weinland, wenn alle zusammenstehen.
Wäre das Ergebnis ein anderes gewesen, wenn die Kantonsräte Frau Baumann begleitet hätten?
Für die Diskussion mit der SBB wäre das sicher nicht schlecht gewesen und hätte nochmals ein anderes Zeichen gesetzt.
Warum waren Sie letzte Woche nicht in Bern?
Ich habe relativ kurzfristig von der Übergabe erfahren und konnte es mir dann nicht mehr einrichten. Ansonsten hätte ich sie mit Sicherheit begleitet. Ich bin sowieso oft in Bern, da ich dort in zwei Verbänden tätig bin.
Aus Ihrer Sicht als Kantonsrat und ehemaliges Mitglied des Verkehrsrats des ZVV: Wie definitiv ist die Schliessung des Schalters wirklich?
Ich sehe immer noch einen Silberstreifen am Horizont, dass wir den Schalter behalten können. Nachdem die Petition einfach abgewunken wurde, müssen wir jetzt den politischen Weg gehen. Ich arbeite gerade an einer parlamentarischen Anfrage. Der Entwurf ist bereits fertig und geht dann in die Vernehmlassung. Ich hoffe natürlich, dass mich die anderen drei Weinländer Mitglieder des Kantonsrats dabei unterstützen.
Was genau wollen Sie mit Ihrer Anfrage in Erfahrung bringen?
Mich interessiert vor allem die Rolle des ZVV bei der Schalterschliessung. Dann möchte ich wissen, warum die Dienstleistungen des Reisezentrums nicht ausgelagert werden können. Zum Beispiel in einen nahe gelegenen Laden. So könnte man sein Joghurt kaufen und zugleich das Ticket für die nächste Zugfahrt. Ähnliche Lösungen hat Frau Baumann in ihrer Petition unter anderem vorgeschlagen. Eine solche Alternative halte ich nicht für abwegig, und sie kann für alle Beteiligten Vorteile bringen. Andere Beispiele zeigen, dass das funktioniert. Warum also nicht auch in Andelfingen?
Und was erhoffen Sie sich von Ihrem Vorstoss?
Mit der Antwort auf meine Anfrage können wir weitere Schritte planen und einleiten. Ein Postulat oder eine parlamentarische Initiative wären denkbar, selbst wenn diese viel Zeit beanspruchen. Bis beispielsweise ein Postulat durch ist, können zwei Jahre vergehen. Mein Ziel ist es, dass zumindest während diese politischen Prozesse laufen, der Schalter offen bleibt. Ausserdem erwarte ich, dass der ZVV das Gespräch mit uns sucht.
Und Sie glauben, dass die SBB den Schalter so lange offen hält? Die Schliessung ist ja per 1. Januar 2025 geplant.
Am Ende geht es darum, wer eigentlich bezahlt. Das ist ebenfalls Teil meiner Anfrage im Kantonsrat. Ich will wissen, wie die Anteile an den Kosten zwischen der SBB, dem ZVV und den Gemeinden verteilt sind. Allenfalls könnte man darüber diskutieren, die Kosten solidarisch auf die Weinländer Gemeinden zu verteilen, um den Bahnschalter zu erhalten.
Nehmen wir an, alle Bemühungen nützen nichts. Wo würden Sie zukünftig Ihre Billette kaufen?
Wahrscheinlich in Stein am Rhein. Aber wie lange dieser Schalter offen bleibt, ist wieder eine andere Frage. Wichtig ist jetzt: dranbleiben! Nichts auf die lange Bank schieben und mit den vereinten Kräften aller Parteien vorgehen.
«Diese Abfuhr ist eine Ohrfeige»