Ein ausgezeichneter Acker

Flaach - Der Acker mit der grössten Vielfalt an Pflanzenarten liegt im Flaacherfeld. 39 wurden neben der Hauptkultur Weizen gefunden, wofür er mit dem ersten Preis der Zürcher Ackerflora-Meisterschaften ausgezeichnet wurde.

Nicole Egloff Publiziert: 12. Dezember 2025
Lesezeit: 4 min

Unscheinbar liegt der vom Verein Hot Spots preisgekrönte Acker im Novembergrau. In Reih und Glied spriesst das Wintergetreide, im Hintergrund signalisiert ein Naturschutzgebiet-Logo den Eingang zur stillgelegten, an den Acker angrenzenden Kiesgrube. Von der sommerlichen Buntheit ist nichts zu sehen. Nur bei sehr genauem Hinschauen erkennen botanisch Bewanderte, dass der Saum, der den nur 40 Aren kleinen Acker auf allen vier Seiten umgibt, vielfältiger bewachsen ist als andere. Vertrocknete Kornblumenstängel ragen empor, Rosetten von Wiesenknopf, Schafgarbe und Flockenblumen sind bereits in den Startlöchern, um nächstes Jahr zu erblühen.

Aufwendige Pflege

In Sichtweite liegt der Wydhof, der Bauernhof der Familie Bachmann. Am Küchentisch sitzen Vater Ernst und Tochter Tanja und erzählen, wie ihr Acker zu dieser Auszeichnung gekommen ist. «Wir waren schon ziemlich überrascht, als es hiess, wir hätten gewonnen. Dass der Acker so besonders ist, haben wir nicht erwartet», sagt Ernst Bachmann. Er hat Anfang dieses Jahres mit der Pensionierung den Betrieb an Tanja übergeben, ist aber noch immer eine wichtige Stütze auf dem konventionellen Milch- und Ackerbaubetrieb und begleitete den besonderen Acker von Anfang an. Seit einer Melioration, also einer Neuordnung der landwirtschaftlichen Flächen im Flaacherfeld, bei der Naturschutzflächen ausgeschieden wurden, gehört der Acker nicht mehr der Familie, sondern dem Kanton. Bachmanns bewirtschaften ihn weiter, aber unter strengeren Auflagen. So darf er nur sehr wenig gedüngt werden, und Spritzmittel sind verboten. Es soll primär Getreide darauf wachsen, wobei nicht so dicht gesät wird wie üblich. Die mechanische Bekämpfung von Unkraut ist verboten, und nach der Ernte soll das Stoppelfeld möglichst lange stehen bleiben. Damit konkurrenzstarke Pflanzen wie Blacke und Distel in diesem lichten Acker nicht überhandnehmen, werden sie von Hand gejätet. «Ja, es ist aufwendig, und der Ertrag ist geringer. Aber der Boden hier ist sowieso eher mager, sandig und wenig tiefgründig. Und wir werden ja dafür entschädigt», sagt der Altbauer. Mit dem Sieg der Ackerflora-Meisterschaft 2025 kommt eine einmalige Prämie von 2000 Franken zu den Entschädigungen hinzu.

Schön und nützlich

Im Sommer setzen die klassischen Ackerbegleiter Kornblume und Klatschmohn mit ihrem Blau bzw. Rot farbliche Akzente im Feld. Ganz besonders fällt jeweils der violette Teppich aus Venus-Frauenspiegeln auf. Der Bestand der wissenschaftlich genannten Legousia speculum-veneris wird als verletzlich eingestuft. In vier Kantonen ist die Pflanze gar geschützt. «Es gibt nicht viele violett blühende Arten auf unseren Äckern. Deshalb ist der Venus-Frauenspiegel besonders interessant, da verschiedene Blütenfarben unterschiedliche Insekten anziehen», so Tanja Bachmann, die in einem 40-Prozent-Pensum an der Landwirtschaftlichen Schule Pflanzenbau unterrichtet. Und trotzdem: «Viele der Arten hier kannte ich vorher nicht», sagt sie und zeigt einen Fächer mit mehr als 50 beschriebenen Arten, den der Verein Hot Spots zur Sensibilisierung für die Ackerflora entwickelt hat. Mohn und Kornblumen wachsen hier schon lange, andere hat Ernst Bachmann in Absprache mit dem Kanton gezielt eingesät. 

Vom prämierten Acker ausgehend haben sich auch in den umliegenden Feldern wieder mehr Blumen angesiedelt, die Tanja Bachmann mithilfe des Fächers bestimmen kann. Einige Samen verbreiten sich mit dem Wind, andere wie beispielsweise der Acker-Hahnenfuss haften im Fell von Tieren. Kleine Samen wie jene vom Klatschmohn gelangen via Stroh in den Kuhstall und von dort als Mist wieder aufs Feld und werden so verteilt.

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Der Venus-Frauenspiegel ist eine der wenigen Ackerbegleitpflanzen mit lila Blüten und hilft, verschiedene Insekten anzulocken.

Seltene Ackerbegleitpflanzen

Ranken-Platterbse, Venuskamm, Acker­-
senf oder Acker-Rittersporn sind alles Arten, die schon seit Beginn des Ackerbaus in der Jugsteinzeit auf Getreide­feldern wuchsen. Sie sind auf diesen Lebensraum angewiesen und könnten in einem klassischen Naturschutzgebiet, das kaum bearbeitet wird, nicht überleben. Die intensive Landwirtschaft, wie sie heute üblich ist, bedeutet jedoch gleichermassen ihr Verschwinden. «Für eine möglichst intakte Bio­diversität sind vielfältige Pflanzen, die Nahrung für zahlreiche Insekten bieten, zentral», erklärt Jessica Käser, Leiterin des Projekts «Förderung seltener Ackerbegleitpflanzen auf Extensiv-Äckern»  im Auftrag von Hot Spots. «Und die Insekten wiederum bestäuben auch unsere Nutzpflanzen. Man geht von einem jährlichen Nutzwert der Bestäubungsleistungen zwischen 205 und 479 Millionen Franken aus, den die Insekten in der Schweiz leisten.» 

Tanja Bachmann sagt denn auch: «Ich sehe durchaus den Nutzen von solchen Strukturen zur Förderung der Biodiversität. Und irgendwo müssen sie ja sein. Von daher finde ich das eine gute Sache, die ich sicher weiter fördern ­werde.» Der Gewinn des diesjährigen Ackerflorapreises motiviert zusätzlich.