Die Meldung in der «Neuen Zürcher Zeitung» Ende September 1814 war kurz. Doch für die beiden Andelfingen hatte sie es in sich: «Es wird hie[r]mit zu Jedermanns Kenntniß öffentlich bekannt gemacht, daß den 3. nächstkünftigen Weinmonath, Morgens um 5 Uhr, die Bewerkstelligung eines neuen Brückenbau’s zu Andelfingen, ihren Anfang nimmt», schrieb die NZZ im Auftrag des Kantons Zürich. Soll heissen: Ab dem 3. Oktober 1814 war der wichtige Übergang zwischen Andelfingen und Kleinandelfingen gesperrt. Schliesslich stand dort seit Jahren bloss ein Provisorium. Die eigentliche Brücke hatten österreichische und russische Truppen bereits 1799 im Krieg mit Napoleon niedergebrannt (siehe AZ vom 28.5.2024).
Immerhin; die genannte Sperrung war nur von kurzer Dauer. Schon nach wenigen Wochen Bauzeit konnte die NZZ vermelden, dass die «Passage über die neu erbaute Brücke […] für Reitende, Fahrende und Fußgänger» ab dem 7. November 1814 wieder offen sei. Ganz fertiggestellt wurde die Thurbrücke Andelfingen im folgenden Jahr. Seither wurde das Bauwerk zwar mehrfach verändert, die Menschen und Fahrzeuge, die es überqueren, sind zahlreicher geworden. Doch die Brücke steht noch immer – seit 210 Jahren

Vorgängerinnen und Zollstreit
Die erste Brücke über die Thur bei Andelfingen dürfte vom Kloster Rheinau spätestens im 13. Jahrhundert gebaut worden sein. Dies zeigte eine Ausstellung des Heimatkundlichen Archivs Andelfingen vor zehn Jahren zum damaligen Brückenjubiläum. Der Übergang sei wichtig gewesen als Verbindung zu den Handelswegen des Bodensees. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde gar eine neue Brücke gebaut. Eben diese ging während des Zweiten Koalitionskrieges 1799 in Flammen auf. Zwar errichteten österreichische Soldaten nur zwei Tage später eine Notbrücke – freilich mit dem Holz der Gemeinde Kleinandelfingen. Die ungedeckte Brücke musste jedoch ständig ausgebessert werden, und schon bald hätten sich Fuhrleute über ihren löchrigen Zustand beklagt, heisst es in der Stauber-Chronik.
Erst 1813 bewilligte die Zürcher Kantonsregierung den Plan für einen Neubau. Dieser stammte vom Zürcher Staatsbaumeister Hans Conrad Stadler, wie man bis heute auf einer grossen Platte unterhalb der Thurbrücke auf der Kleinandelfinger Seite lesen kann. So entstand 1814/1815 die heutige gedeckte, zweijochige Holzbrücke. Am Schluss der Arbeiten blieb so viel an Holz und Steinen übrig, dass man gar noch das Zollhaus in Andelfingen bauen konnte. Über die darin erhobene Abgabe gab es allerdings schon bald verschiedene Ansichten.
Die beiden Andelfingen ersuchten nämlich beim Kleinen Rat in Zürich um Begünstigung beim Zoll- und Brückengeldtarif. Die Kantonsregierung erlaubte daraufhin den Gemeinden, dass zum Beispiel ihre Fussgänger gratis passieren konnten. Doch grundsätzlich blieben Grossandelfingen und Kleinandelfingen «der Entrichtung des tariffmässigen Brückengelds und Zolls, wie übrige Cantonsangehörige», unterworfen. So steht es in den Akten von 1815 im Staatsarchiv des Kantons Zürich. Obwohl die beiden Andelfingen also mit ihrem Anliegen in Zürich kaum durchgekommen waren, beschwerten sich die anderen Dörfer der Kirchgemeinde sofort beim Kleinen Rat und verlangten Gleichbehandlung. Die Regierung revidierte daraufhin ihre erste Entscheidung: Die Abgabe solle künftig für «Fremde und Einheimische gleich verbindlich seyn». Trotzdem erhielten die Dörfer der Kirchgemeinde Andelfingen gewisse Erleichterungen: Unter anderem die Passage für den Kirchen- oder Schulbesuch sollte gratis sein.
Krieg und Abrissdiskussion
1839 erhielt die Thurbrücke auf der Andelfinger Seite eine neue Zufahrtstrasse: die heutige Landstrasse. Zuvor hatte es lange Diskussionen über die Linienführung gegeben, und mehrere Häuser unter der Kirche mussten dafür abgerissen werden, wie den Unterlagen im Heimatkundlichen Archiv zu entnehmen ist. Bei der Holzbrücke wiederum stach etwas mehr als hundert Jahre später eine farbliche Veränderung ins Auge. Nach der Bombardierung Schaffhausens im Zweiten Weltkrieg wurde ein grosses Schweizerkreuz auf das Dach der Brücke gemalt. Dieses sollte allfälligen fremden Kampfpiloten zeigen, dass es sich hier um helvetisches Gebiet handelte.
Das Zeichen auf dem Dach verschwand kurz nach dem Krieg wieder. Wenige Jahre später entbrannte ein Streit darüber, ob nicht gleich die ganze Brücke verschwinden solle. «Muß die Holzbrücke in Andelfingen weichen?», fragte das «Volksblatt aus dem Bezirk Andelfingen» in einem Titel von 1950. Grund war der ständig wachsende Verkehr über die Thur mit der Holzbrücke als Nadelöhr: Die Autos hätten sich in Andelfingen manchmal bis zum Bahnhof und in Kleinandelfingen bis zum Bad gestaut, war an der Brückenausstellung vor zehn Jahren zu erfahren. Trotz Sorgen um wirtschaftliche Einbussen für das lokale Gewerbe entschied sich der Kanton für den Bau einer Umfahrung und der ersten Weinlandbrücke. Diese war 1958 die erste grosse Spannbetonbrücke der Schweiz (siehe AZ vom 5.5.2023). Etwas weiter flussabwärts durfte die alte Holzbrücke stehen bleiben.

Anbau und Sanierungen
Während die meisten Autos fortan nicht mehr über die Thurbrücke fuhren, floss genanntes Gewässer weiterhin darunter hindurch. Wobei das für den Februar 1963 nicht ganz stimmt: «Gfrörni». Auch an der Thur! Fotos im Heimatkundlichen Archiv zeigen Leute, die sich in der Nähe der Brücke über den gefrorenen Fluss wagten. Diese erhielt 1978 eine Ergänzung, die ihre Erscheinung wesentlich veränderte, heute aber selbstverständlich scheint: der Fussgängersteg, vorgefertigt und in wenigen Tagen montiert von der Robert Schaub AG. Von da an überquerten motorisierte Vehikel die Thur getrennt von den Fussgängerinnen und Fussgängern.
Seither fanden immer wieder kleinere und grössere Sanierungsarbeiten an der Brücke statt. Und so überqueren auch heute noch zahlreiche Menschen die Thur auf einem «Denkmal in Gebrauch», wie ein Sprecher der Zürcher Baudirektion es einmal nannte (siehe AZ vom 10.7.2018).


Einst wollte man sie abreissen – nun steht sie seit 210 Jahren