Viele Redewendungen haben einen jagdlichen Ursprung. So zum Beispiel der Ausdruck «eine Veranstaltung abblasen». Jäger verständigen sich über ihr Horn
Der reife, noch rote Eissprossenzehner zog orgelnd am Wechsel in den Einstand. Wer diesen kurzen Satz versteht, ist vermutlich selber ein Jäger. Denn diese verwenden gerne die sogenannte Jägersprache – eine Fachsprache mit vielen bildhaften Ausdrücken. Sie beschreiben oft die Besonderheiten im Körperbau und im Verhalten des Wildes oder die Tätigkeiten des Jägers. So heisst die Zunge Lecker, das Maul Äser, die Augen sind je nach Tierart Seher oder Lichter, die Nase Windfang und die Ohren werden Lauscher, Teller oder Löffel. Und wenn ein Keiler ein Gewehr in seinem Gebräch hat, heisst dies auf gut Deutsch nichts anderes, als dass sich in seinem Maul zwei Eckzähne befinden.
Gemäss dem Buch «Vor und nach der Jagdprüfung» für angehende Waidmänner und -frauen erkennt man den «zünftigen» Jäger am selbstverständlichen, sicheren Gebrauch der Jägersprache (nicht gekünstelt oder überspitzt). «Nichtjägern gegenüber sollte man sich jedoch verständlich ausdrücken und aus der Jägersprache keine überhebliche Geheimniskrämerei machen.»
Die Waidmannssprache nimmt also eine wichtige Rolle in der Pflege des jagdlichen Brauchtums ein, zudem ermöglicht sie das schnelle und unmissverständliche gegenseitige Verstehen. Und dies bereits seit Jahrhunderten – erste Belege datieren aus dem achten Jahrhundert. Bis im späten Mittelalter war die Sprache jedoch nur in Kreisen des Adels üblich und diente auch der bewussten Absetzung vom «gemeinen Volk».
Auf den Leim gehen
Im Laufe der Geschichte ist der Wortschatz der Waidmannssprache auf über 13'000 Ausdrücke angewachsen, wovon gegenwärtig etwa 3000 in Gebrauch sind. Etliche Begriffe haben sich in der Umgangssprache etabliert. «Von etwas Wind bekommen», «jemandem eins hinter die Löffel geben», «die Flinte ins Korn werfen» oder «auf der Strecke bleiben» – kaum einer registriert, dass es sich hierbei um die Fachsprache der Jäger handelt. Auch die Redewendung «auf den Leim gehen» rührt ursprünglich daher, dass Jäger früher noch keine technischen Hilfsmittel wie Gewehre besassen. Dadurch haben sie auf die üblichen Landeplätze der Vögel Leim geschmiert, sodass diese kleben blieben. Eine Auswahl von weiteren Jägerbegriffen finden Sie im ABC unten.
Zurück zum Satz «Der reife, noch rote Eissprossenzehner zog orgelnd am Wechsel in den Einstand.» Gäbe es keine Jägersprache, müsste der Waidmann statt dieses kurzen Satzes folgende umständliche Erklärung abgeben: «Der etwa zehn- bis zwölfjährige Hirsch, der noch sein Sommerfell trug und ein Geweih mit zehn Zacken hatte – das Geweih zeigte zudem die Besonderheit, nach den jeweils untersten Zacken zwei verkümmerte Zacken zu haben – markierte laut röhrend sein Revier und ging dabei langsam einen Pfad entlang, den diese Tierart schon seit Generationen benutzt, in jenen Waldteil, den er tagsüber bevorzugt aufsucht.»
Das ABC der Jägersprache
Um mit Jägern fachsimpeln zu können, benötigt man das richtige Vokabular. Das Jäger-ABC soll als Einstiegshilfe dienen.
Ansprechen: Wenn Jäger Wildtiere ansprechen, stellen sie Geschlecht, Alter, Verhalten, Lautäusserungen und Konstitution fest.
Blattschuss: Schuss, der ins Schulterblatt eines Tieres trifft. Da er Herz, Lunge und grosse Blutgefässe verletzt, führt er meist zum sofortigen Verenden.
Changieren: Wechseln des Schweisshundes auf eine andere Fährte.
Dickung: Ein junger, schon zusammengewachsener Baumbestand.
Einstand: Den bevorzugten Aufenthaltsort von Wild nennen die Jäger Einstand.
Flüchtig: Bewegt sich ein Tier in schneller Gangart bzw. im Galopp, so wird es als flüchtig bezeichnet.
Geräusch: Damit sind nicht etwa die wahrnehmbaren Laute im Wald gemeint, sondern die essbaren Innereien eines erlegten Wildtieres. Dazu gehören Herz, Lunge und Leber, Milz und Nieren.
Hochbeschlagen: Weibliches Wild, das hochschwanger ist.
Inbesitznahmebruch: Mit einem Bruch, also einem mit Zweigen gelegten Zeichen, wird der rechtliche Besitz eines erlegten Stücks Wild am Ort der Erlegung angezeigt.
Jagdfieber: Nicht immer funktioniert alles nach Plan. Das Jagdfieber ist eine Stressreaktion, die manchen Jäger beim Anblick von Wild befällt und einen sicheren Schuss verhindert.
Kessel: Höhle oder Lager von Wildtieren.
Letzter Bissen: Dem erlegten Wild wird als Ehrerweisung ein Tannenzweig ins Maul gelegt.
Mönch: Bei diesem Jägerbegriff geht es nicht um einen Geistlichen, der durch die Wälder streift, sondern um einen geweihlosen Hirsch.
Nachsuche: Die Suche nach einem krankgeschossenen Stück Wild.
Orgeln: Während der Brunftzeit macht der Hirsch mittels lautem Röhren auf sich aufmerksam. Diese Lautäusserung wird auch Orgeln genannt.
Platzhirsch: Der Hirsch, der den Brunftplatz beherrscht, wird als Platzhirsch bezeichnet.
Quoren: Die Lautäusserung einer balzenden Schnepfe.
Rotte: Eine Anzahl von Schwarzwild, also von Wildschweinen. Eine Rotte besteht nicht nur aus einer Bache und ihren Frischlingen, sondern aus mehreren Bachen, Frischlingen und Überläufern (siehe auch «Ü»).
Strecke: alle erlegten Tiere einer (Gesellschafts-)Jagd werden nach einer festgelegten Ordnung in Reihen ausgelegt. Daher kommen die Ausdrücke «die Strecke legen» oder auch «zur Strecke bringen».
Überläufer: Schwarzwild im zweiten Lebensjahr.
Verbissschaden: Abbeissen von Knospen, Blättern oder Zweigen vor allem an landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich erwünschten Pflanzen durch Wild.
Waidmannsheil: Begrüssung der Jäger untereinander und Glückwunsch zur Beute. Erwidert wird mit Waidmannsdank.
Zeichnen: Reaktion des Wildes auf den Schuss, zum Beispiel besonderes Benehmen oder besondere Bewegungen. (bsc)
Hauptquellen dieses Artikels sind Wikipedia, verschiedene Jagdportale und das Buch «Vor und nach der Jagdprüfung».
Mit den Jägern durchs Jahr
Während eines Jahres beschäftigt sich die «Andelfinger Zeitung» in regelmässigen Abständen mit dem Thema Jagd, begleitet die Jäger bei ihrer Arbeit und beleuchtet Hintergründe. Der Einblick in die Jägersprache ist der zweite Teil dieser Serie.
Gelebtes Brauchtum in Wort und Schrift