Standen Red und Antwort (v.l.): Sandra Reinli
120 Stühle standen bereit in der Mehrzweckhalle am Donnerstagabend. Auch wenn nicht alle gebraucht wurden: Die Infoveranstaltung zu den geplanten Mobilfunkantennen in Altikon interessierte und mobilisierte auch Betroffene aus Niederneunforn. Mit dem geplanten Senderstandort bei der gemeinsam betriebenen Kläranlage (ARA) an der Thur würde auch das Thurgauer Dorf besser bedient. Diesen Masten würden alle drei grossen Anbieter Salt, Sunrise und Swisscom nutzen.
Bauherrin ist Letztere, die auch in Altikon selber eine unbefriedigende Abdeckung hat, weshalb sie beim Werkhof und somit näher beim Dorf eine zweite, kleinere Antenne nur für sich aufstellen möchte. Die beiden Baugesuche lagen ab Mitte Juni auf der Verwaltung auf. Während der Frist wurde 99-mal der Baurechtsentscheid verlangt, der zur Einsprache gegen eine allfällige Baubewilligung berechtigt – 46 Anfragen betrafen den Standort Werkhof, 53 jenen bei der ARA. An der Gemeindeversammlung Ende Juni hatte Präsidentin Sandra Reinli über die Pläne zur Verbesserung der Abdeckung mit Mobilfunk informiert und die Bitte für einen Infoanlass entgegengenommen (AZ vom 1.7.2022). Später wurde dieses Verlangen mit einer gleichlautenden Petition unterstrichen.
20 Wortmeldungen, alle kritisch
Dem Wunsch nach Information kam die Gemeinde nun nach. Und musste doch harsche Kritik einstecken. In den 20 ausschliesslich negativen Wortmeldungen am Donnerstagabend ging es vor allem um die Angst vor Strahlung ausgehend von der Mobilfunktechnologie der fünften Generation, 5G. Aber auch, warum die Gemeinde zwei Jahre lang nicht informiert hatte, dass in Altikon Standorte gesucht würden.
Der externe Moderator hatte keine leichte Aufgabe. Einerseits beanspruchte eine Frau vom Verein Schutz vor Strahlung Redezeit. Sie sei «extra aus Grenchen angereist», sagte sie. Schliesslich wurden ihr fünf Minuten gewährt, ihre Präsentation zeigen durfte sie aber nicht. Andererseits wurde moniert, Fragen würden nicht beantwortet. Und am Schluss redete sich auch eine Frau aus Niederneunforn in Rage, es sei einseitig informiert worden, wogegen sich dann der Moderator wehrte.
Zu Recht: Zwei lange Stunden hatten Gemeindepräsidentin Sandra Reinli, Bauvorstand Andreas Herrmann, Susanne Buntefuss (Expertin Mobilfunk und Umwelt bei der Swisscom) sowie Nadia Vogel (Sektion Strahlung vom kantonalen Amt Awel) zuerst in kurzen Vorträgen über ihre Bereiche informiert. Danach standen sie sowie zusätzlich Swisscom-Bauleiter Jack Lüthi für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. Warum die Swisscom zwei Standorte brauche, wurde mehrmals gefragt; offenbar überzeugte die Antwort nicht. Zum Thema Gesundheit verwiesen sie auf die Website dreier Bundesämter.
Gemeinde suchte vertretbare Orte
Altikon ist mit Mobilfunk schlecht abgedeckt. Deshalb bot die Gemeinde Hand bei der Suche nach einem Antennenstandort. Zentrale Möglichkeiten im Dorf wie zum Beispiel im Kirchturm, beim Gemeindesaal oder Schloss, was auch die Anbieterin am liebsten hätte, waren keine Option. Im Dialog fanden sie die Standorte Werkhof und ARA als «vertretbare Lösung» ausserhalb des Dorfs, so Sandra Reinli. Einen optimalen Standort gebe es nicht, ergänzte Bauvorstand Andreas Herrmann.
Jener bei der ARA liege ausserhalb der Bauzone, in einem Landschaftsschutzgebiet (und nicht Naturschutzgebiet), sagte er. Unabhängig von der in diesem Fall nötigen Sonderbewilligung müsse für die Baubewilligung eine Untersuchung bezüglich Strahlensicherheit gemacht werden. Seit Anfang Jahr seien in diesen Fragen auf Stufe Bund wesentliche Punkte geklärt, sagte Susanne Buntefuss von der Swisscom.
Nadia Vogel vom Awel erklärte ausführlich das System mit der neuen Mobilfunktechnologie mit adaptiven Wellen («sie suchen ihr Ziel») und erläuterte, wie das Awel die Strahlenbelastung misst. «Die Anbieter wissen, dass wir streng sind», sagte sie. Erst wenn aus ihrer Sicht bezüglich Strahlenbelastung alles in Ordnung sei, würden sie ihren Bericht schreiben, der nötig sei um eine Bewilligung zu erhalten.
Zum Beispiel würden die drei Antennen als eine Anlage gewertet. Bei gleichzeitiger Nutzung müssten sich die Anbieter die Leistung somit teilen. Und weil sie nicht alles am PC simulieren könnten, würden auch Messungen vor Ort gemacht. Wichtigste Stellen für sie sind Orte mit empfindlicher Nutzung (Omen) wie zum Beispiel Schulen. Pausenplätze seien vielerorts ausgemessen, auch in Altikon.
Abstimmung nicht geplant
Gefragt wurde, was die Gemeinde unternehme, um die Meinung des Dorfs zu den Antennen zu erfahren, schliesslich gehe es um öffentlichen Grund. Sandra Reinli sagte, eine Abstimmung sei nicht geplant. Die Gemeinde prüfe ein Baugesuch und müsse dieses bewilligen, wenn es rechtens sei, «wie bei Privaten».
Sie hätten dafür gekämpft, keine Antenne zu erhalten, sagte ein Mann aus Niederneunforn und kritisierte Altikon, eine Anlage nun so nah an die Gemeindegrenze stellen zu wollen. Die Antenne bei der ARA mache einen Standort im Dorf selber hinfällig, wurde gesagt.
Am meisten strahlen würden Geräte mit alter Technologie und solche mit schlechtem Empfang, sagte Nadia Vogel. In einem solchen Fall rät auch sie, nicht mit dem Handy am Ohr zu telefonieren.
Einen baurechtlichen Entscheid hat der Gemeinderat Altikon noch nicht gefällt. Andreas Herrmann ergänzte, dass auch Gesuchsteller rekurrieren könnten bei einer Verweigerung einer Baubewilligung. Wie der «Landbote» kürzlich schrieb, waren seit 2019 in den Bezirken Andelfingen und Winterthur nur zwei (von 27, 9 sind noch hängig) Rekurse gegen Mobilfunkantennen erfolgreich – aber nicht wegen der Strahlung, sondern wegen dem Orts- und Landschaftsbild.
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