«Hyperbolausguck». So heisst das Siegerprojekt aus dem Wettbewerb für den Ersatz der bisherigen Holzplattform in den Thurauen. Was etwas umständlich tönt, ist schön anzusehen. Und der Name ist Programm. Der umgesetzte Entwurf von Jan Hess, ehemaliger Holzbau-Studierender an der ETH Zürich, «besticht durch seine hyperbolische Gitterstruktur aus sich kreuzenden Holzstäben, die eine hohe Stabilität und eine elegante Einbettung in die Landschaft ermöglicht», heisst es im Beschrieb.
Zur Schönheit hinzu kommt die sinnvolle Bauweise. Das Treppenhaus ist eingekleidet. Von den beiden acht bzw. zwölf Meter hoch gelegenen Plattformen aus können Besuchende fast ohne Barrieren die Umgebung beobachten, verursachen beim Aufstieg aber wenig Störung nach aussen. Frank Maike, stv. Leiter des Rangerdiensts, sagte, das Ziel sei, die Natur zu schützen und Menschen in die Natur zu lassen. Der Turm sei dafür eine gute Möglichkeit.

Mit ZKB-Jubiläumsfonds finanziert
Am Samstag, zum Start der Saison in den Thurauen, wurde der Turm eingeweiht. Regierungsrat Martin Neukom schraubte zwischen den blau-weissen Mäschchen die Plakette von #hallowasser an. Der Turm ist nicht nur das höchste Werk dieses kantonalen Projekts, um Wasser erlebbar zu machen, sondern mit Kosten von 530'000 Franken auch das grösste. Das Geld stammt aus dem Jubiläumsfonds der ZKB anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens.
Dann nahm Martin Neukom als Erster die 69 Treppenstufen unter die Füsse, die anderen rund 40 Gäste an der Eröffnung folgten ihm. Unten konnten Feldstecher ausgeliehen werden, um von oben die Umgebung abzusuchen. Vor allem den Eisvogel hätten viele gern gesehen. Dieser sei zwar nicht gross, aber gut zu erkennen, sagte Simon Fuchs, Leiter des Naturzentrums, und erzählte eine hübsche Geschichte, warum der Vogel einen blauen Rücken (der Himmel) und einen gelben Bauch (die Sonne) habe. Was sicher stimmt: Der Vogel ziert das Logo des Naturzentrums und ist der Profiteur der Thurauen, auch wenn gelegentliche Hochwasser die Population dezimieren. Das sei Natur, sagte er.



Wichtiger als die Vögel war am Samstag der Turm selber. Darum noch dies: Er ist 15 Meter hoch und zu Fuss in 15 Minuten ab der Brücke Ellikerstrasse erreichbar. Er wurde von der Firma Blumer Lehmann, Gossau SG, gefertigt und von der Robert Schaub AG, Andelfingen, errichtet. Das Innere besteht aus Fichten- und die tragende Hülle aus witterungsbeständigem Lärchenholz. Das Dach ist begrünt und wird über ein innen verlaufendes Rohr im Kies unter der Betonplatte entwässert.
Diese Platte steht auf acht neuen Pfählen. Sollte die mäandrierende Thur also das Fundament unterspülen, bliebe der Turm stehen. Der Fluss erreichte mehrere Male die einfache Holzplattform von 2011, wodurch diese morsch und 2021 aus Sicherheitsgründen gesperrt und durch ein Provisorium ersetzt wurde. Den neuen Turm besuchten am ersten Tag laut Ranger Frank Maike über 100 Personen.

Jan Hess, wie ist es, seine Abschlussarbeit live zu sehen?
Jan Hess: Sehr schön! Am Anfang hat man Pläne, ein Modell und eine Vorstellung, wie es kommen könnte. Aber sicher ist man nicht. Wenn man den Turm dann kurz nach dem Bau sieht, wenn das Holz noch schön braun ist, macht es Spass, ihn anzuschauen!
Ist der Turm so umgesetzt, wie von Ihnen geplant?
Zum grössten Teil schon. Es gab ein, zwei Anpassungen – zum Besseren, finde ich (lacht).
Was diente als Vorbild?
Nichts Spezielles. Ich wollte etwas schaffen, das lebt und bewegt. Einen runden Turm und das Verwundene fand ich cool. Geometrisch gesehen ist der Turm ein Hyperboloid. Das Faszinierende daran sind die Stäbe, die ja pfeifengerade sind, aber aussehen, als wären sie krumm. Das gibt ihm eine Einzigartigkeit.
Ein Ranger betonte die Sicht aus dem Turm heraus und die versperrte Sicht in den Turm hinein. War das Ihre Idee?
Im Turm geschützt sein und gleichzeitig hinausschauen können, war eine Bedingung des Wettbewerbs – eine schwierige Vorgabe.
Die Sie gut gelöst haben.
Mit der Schalung und dem Treppenhaus kommt man gut geschützt in die Höhe. Und bei der Anordnung der Plattformen habe ich geschaut, wo die Kreuzungspunkte der Stäbe sind und wo die grossen Öffnungen sein sollen, damit die Menschen gut die Umgebung beobachten können.
Familie und Freunde von Ihnen schauten sich das Werk an. Deren Reaktionen?
Durchwegs positiv! Es ist viel Freude da – auch bei mir.
Interview: Roland Spalinger

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