«Ich schaffe einfach gern»

Seuzach - Kevin Heiniger befreit in seiner Freizeit Strassen, Wiesen und Wald von Abfall und hält damit seine Gemeinde sauber. Doch ihn treibt noch etwas anderes an: Er arbeitet für sein Leben gern.

Tizian Schöni (tz) Publiziert: 17. März 2023
Lesezeit: 4 min

«Ich gehe nicht so gerne in die Schule, lieber bin ich hier draussen», sagt Kevin Heiniger und pickt mit seiner Greifzange einen Zigarettenstummel aus der Abwasserrinne der Strasse. Der 13-Jährige hat den Schreibenden heute auf eine seiner «Güseltouren» mitgenommen. Mit einem umgerüsteten Velo­anhänger, einer Greifzange und zwei Eimern zum Trennen des Abfalls ist er unterwegs. Am Vortag war er mit dem Velo bereits auf Erkundungstour, damit es bei der später definierten Route auch genug zu sammeln gibt. Deshalb hat er sich heute die Flurstrasse von seinem Zuhause bis hoch zur Autobahnraststätte Forrenberg vorgenommen. Auf einer Karte wird er später eintragen, welche Orte er schon abgesucht hat.

«Der Abfall, der überall herumliegt, hat mich einfach genervt», sagt Kevin. Deshalb habe er nach dem 1. August 2022 eine erste Sammeltour unternommen. Seitdem geht er in der Region Seuzach regelmässig auf seine Touren, besonders in den Ferien ist er fast täglich unterwegs. Eifrig pickt er ein Zigarettenpäckli vom Boden und ruft seiner Mutter zu: «Du hast imfall auch eine Zange!» Sie ist heute das erste Mal mit dabei, offensichtlich noch als Azubi. «Er hat ein geübtes Auge», sagt sie, als Kevin die Böschung hochklettert, um einen zerfledderten Plastiksack aus dem Gestrüpp zu holen.

Der Abfall wird, einmal eingesammelt, sauber sortiert. Alles, was recycelt werden kann, trennt er konsequent vom Rest. Zu Hause hat er eine Sammelstelle eingerichtet, sein Grossvater organisiert dann die fachgerechte Entsorgung. Er hat ihm auch den Veloanhänger, sein Recyclingmobil, zur Verfügung gestellt.

Der Grossvater, das geht aus dem Gespräch mit dem Jungen hervor, ist sein grosses Vorbild. Stolze 36 Jahre war er Gemeindearbeiter in Seuzach und hat in dieser Zeit Strassen, Felder und Wald von «Güsel» befreit. Heute ist er pensio­niert. Er unterhalte aber eine gut ein­gerichtete Werkstatt, in der die beiden oft gemeinsam anzutreffen seien, sagt Kevins Mutter. Er selbst sagt einfach: «Ich schaffe gerne.»

Zigistummel, Flaschen, Holzabfälle
Zum Sammeln hat er bereits zwei Mobile, ein grösseres und ein kleines. «Meist gehe ich mit dem kleinen raus und schaue, wo es noch was zu holen gibt», sagt Kevin, als er gerade drei gros­se Kanthölzer auf seinen Wagen hievt. Noch keine Viertelstunde sind wir unterwegs, und schon ist der Veloanhänger voll. Diverse Plastikstücke, Taschentücher und Petflaschen liegen im Eimer. «Zigarettenstummel findet man am meisten», sagt Kevin. Er habe aber auch schon eine Platzpatrone entdeckt. Wenn er Kleidungsstücke findet, platziert er sie auffällig, damit sie gefunden werden können. «Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn die Leute ihren Güsel direkt richtig entsorgen würden», antwortet Kevin auf die Frage, was er vom Littering halte. Bis das der Fall ist, nimmt er sich der Sache selbst an. Und manchmal hat er dabei sogar Hilfe. Sonst rufe er meistens einen Freund an, damit dieser auf die Touren mitkomme. «Zu zweit ist es spannender», sagt Kevin. Am liebsten hätte er eine Gruppe von Leuten, mit denen er zum Sammeln abmachen könne. Bisher habe er zwar viel Lob erhalten – von der Gemeinde gab es sogar ein Geschenk für seine Arbeit. Leider habe er noch nicht so viele helfende Hände gefunden.

Berufsrichtung ist gewählt
Nebst seinen Reinigungsarbeiten ist Kevin Mitglied bei den «help»-Jugendsamaritern in Seuzach. Und wenn er mal frei hat, spielt er am Computer den «Landwirtschaftssimulator» – vor allem wegen der vielen Landmaschinen. Aus­serdem hat er angefangen, Klavier zu spielen. «Damit die Bildschirmzeit etwas runterkommt», raunt die Mutter.

Noch geht Kevin zur Schule, doch er hat eine klare Vorstellung, wo es in seinem Leben hingehen soll: «Landwirtschaft, Landschaftsbau oder Tiefbau.» Im Juni wird er 14, dann möchte er möglichst schnell die Traktorenprüfung machen. Einen kleinen Rasenmähertraktor habe er selbst, sein Grossvater besitze aber einen Case (Traktorenmarke, Anm. der Red.), den er bald fahren möchte. Der Schreibende ist sich sicher: Wer diesen Jungen einst in die Lehre nimmt, zieht den Sechser im Lotto.

Kevin Heiniger freut sich über Gleichgesinnte zum Abfallsammeln. Gegen Sackgeld räumt er auch in Ihrem Garten auf: d.heiniger@gmx.net