Ihr fliegen die Unterschriften nur so zu

Andelfingen - Sonja Baumann fiel bisher politisch nicht auf. Nun sammelt sie Unterschriften für ihre Petition zum Erhalt des SBB-Schalters. Der Erfolg ist gross. Und auch die lokale Politik wird aktiv.

Roland Spalinger (spa) Publiziert: 23. August 2024
Lesezeit: 4 min

Viele hat sie noch nicht. Aber die Welle, die Sonja Baumann losgetreten hat, nimmt rapide Tempo auf. Am Wochenende hat sich die 43-Jährige aus Niederwil, die in der Pflegewissenschaft tätig ist, Gedanken zur Schliessung des SBB-Schalters in Andelfingen gemacht. Ob man dagegen etwas tun könne, fragte sie in der Facebook-Gruppe «Wyländer helfed Wyländer». 32 Likes gaben ihr den Mumm, etwas zu unternehmen.

Nun gibt es die Facebook-Seite «SBB-Schalter Andelfingen behalten» – so lautet auch der Titel ihrer Petition, für die sie Unterschriften sammelt. Am Mittwochmorgen stellte sie sich für 30 Minuten auf den Marktplatz. Erklären, worum es geht, musste die Mutter zweier Kinder nicht. Und überreden musste sie auch niemanden.

«Eine Frechheit»
«Ja sicher» unterschreibe er, sagte ein Mann. Es sei «eine Frechheit», was die SBB vorhabe. Die Jüngeren seien vielleicht fix mit den Online-Möglichkeiten, aber die Älteren seien froh um das Reisezentrum. Auch seine Frau trug sich ein. Andelfingen sei doch der Bezirkshauptort, sagte eine andere. Sie hole immer dort die Billette. Und noch nie sei sie allein in der Schalterhalle gewesen, immer hätten Leute vor oder hinter ihr gestanden.

Auf die Schiene mit dem Alter zielt Sonja Baumann nicht. Auch junge Menschen hätten sich vom Personal über Strecken und Abonnemente informieren lassen, weiss sie aus eigener Erfahrung. Alle wüssten das Angebot zu schätzen, wenn auch nicht regelmässig. Ihre Familie zum Beispiel gebe in Andelfingen vor Reisen das Gepäck auf und kaufe Tageskarten für das Spiel «Zugwürfeln», das die ganze Familie liebe. Die Kinder würden am Schalter immer noch ein Kinderbillett erhalten, das sehr geschätzt werde.

Solche Möglichkeiten, die ohne Schalter fehlen würden, nennen sie und andere beim Unterzeichnen. Dazu kommt die Schwierigkeit mit Abonnements, Gruppenreisen und Billetts für Auslandreisen. Das hatte bereits die Umfrage nach Bekanntwerden der Schlies­sungspläne der SBB auf Ende Jahr gezeigt (AZ vom 9.8.2024).

Sonja Baumann ist Stimmenzählerin in Andelfingen. Was es für eine Petition braucht und wie man vorgeht, wusste sie jedoch nicht und informierte sich auf Websites des Bundes im Internet.

Billette am Bahnschalter kaufen
Was sie weiss: Dem Schalter helfen würde Frequenz. Jede und jeder könne seinen Beitrag leisten, indem er oder sie dort Billette kaufe. Unterzeichnet haben die Bittschrift auch Personen, die genau das nicht oder nur selten machen, den Erhalt des Schalters aber als wichtig erachten. Vielleicht in einer anderen Form – wenn der Volg Postdienstleistungen anbieten könne, sollte Ähnliches doch auch bei der SBB möglich sein, sinnierte eine Frau.

In der knappen halben Stunde hat Sonja Baumann 25 Unterschriften gesammelt und eine Frau getroffen, die bereits unterschrieben hat – sie wurde auf die Petition aufmerksam, trat mit der Initiantin in Kontakt und mobilisiert seither in Alten. 14 solche Mitstreiterinnen haben sich schon bei ihr gemeldet. Es dürften mehr werden. Von Andelfingen aus ist die Welle bereits nach Berg am Irchel, Dorf, Flaach, Gütighausen, Oberwil, Ossingen, Thalheim und Volken geschwappt. Am Samstag von 9 bis 11 Uhr wird sie wieder auf dem Marktplatz sein und weitere Unterschriften sammeln.

Weinländer Parteien werden aktiv
Unterstützung auf anderer Ebene kommt von den acht im Weinland aktiven politischen Parteien. Die Mitte, EDU, EVP, FDP, GLP, Grüne, SVP und SP wenden sich mit einem Brief an die SBB. Sie argumentieren mit der Versorgungssicherheit und protestieren laut Koordinater Thomas Feer (Grüne) gegen die Schalterschliessung. Die Gemeinde hat derweil vor zehn Tagen auf ihrer Website eine «Empfehlung für Senioren/-innen» aufgeschaltet, wie sie Tickets lösen können.

Sonja Baumanns Petition läuft bis Ende September. Ein Unterschriften-ziel hat sie nicht. Es wird aber eine Flut sein, die die SBB erreicht. In der kurzen Zeit am Mittwochmorgen winkte bloss eine Person ab und ging vorbei, die anderen füllten den Bogen aus und hatten wenig schmeichelhafte Worte für die Bundesbahn übrig.

Bögen für die Petition können auf der Facebook-Seite der Initiantin angefordert werden.