Weinland

Katzentod durch Kippfenster

Das automatische Fenster geht zu, die Katze klemmt sich den Kopf ein und verendet. So weit der «Tatbestand», den das Bezirksgericht zu verhandeln hatte. Ein Urteil konnte noch nicht gefällt werden.

von Eva Wanner
07. September 2018

Es ist ein Sonntag im März 2017, niemand ist in der Gärtnerei, auf deren Gelände sich die Katze befindet. Sie «strielt» zu einem der Gewächshäuser, um durch ein geöffnetes Fenster in den Glaskomplex zu steigen. Nur: Die Häuser haben Kippfenster, die sich dem Wetter angepasst öffnen und schliessen. Der Kopf der Katze wird bei einer dieser Lüftungsklappen eingeklemmt, und sie verendet.

Ein Unfall. Oder «fahrlässige oder eventualvorsätzliche, qualvolle Tötung»? Darüber hatte das Bezirksgericht Andelfingen am Dienstag zu befinden. Der Besitzer der Katze hatte den Besitzer der Gärtnerei mit Spezialkulturen im Weinland angeklagt. Vor Gericht erschien der Privatkläger nicht (Teilnahme freiwillig, wie Gerichtspräsident Lorenz Schreiber erklärte) und der Beschuldigte ohne Anwalt. Seine Kleidung liess darauf schliessen, dass er direkt von der Arbeit kam, um den Gerichtstermin um 8.15 Uhr wahrzunehmen.

Da der Beschuldigte – folgend «B.» genannt – sich selbst verteidigte, stellte er selbst die Frage, die als Antrag behandelt wurde: Ob er als Privatperson oder doch die GmbH angeklagt werden müsse, die das Gelände bewirtschaftet? Ursprünglich als Genossenschaft gegründet, ging der Betrieb später auf ihn über, B. ist Geschäftsleiter der bewirtschaftenden Gesellschaft, und ihm gehört das Gelände. Nach kurzer Beratung beschloss das Gericht, dass die GmbH mit B. stehe und falle, es blieb bei der Anklage gegen ihn.

Weitere Erkundigungen einholen
Der Antrag war schnell behandelt, der Fall wird es nicht sein. Ein Urteil wurde am Dienstag nicht gefällt. Das Gericht müsse weitere Erkundigungen einholen, ob es ein Patent gebe, das Katzen vom Betreten von Gewächshäusern abhalte, sagte Lorenz Schreiber. «Das Urteil steht und fällt damit, ob es Vorkehrungen gibt, die so etwas verhindern können», sagte er. B. hatte in seinen Aussagen dargelegt, dass dies laut seinen Recherchen nicht der Fall sei.

Der zweifache Vater B. (seit der Trennung von der Lebenspartnerin sei er «40 Prozent alleinerziehend», sagte er) stand nun also als Privatperson wegen «eventualvorsätzlicher» (im Sinne von «egal, wenn etwas passiert») oder gar fahrlässiger (nicht die nötige Sorgfalt walten lassen) Tötung einer Katze vor Gericht. Es war nicht die erste – in den 23 Jahren, die er auf dem Gelände tätig ist und wo er auch lebt, starben fünf Katzen auf diese Weise. Eine davon war seine eigene. Und eine habe er schon verwest auf dem Gelände gefunden, «das war aber wahrscheinlich ein Marder oder so», sagte B., «das ist Natur, es gibt eine Selektion». Zum Beweis zeigte er Lorenz Schreiber ein Foto von einem verwesten Fuchs, den er (meistens sprach er von «wir», sich und seinen Mitarbeitern) kürzlich auf dem 10'000 Quadratmeter grossen Gelände gefunden habe.

Auf jeden Fall seien die Vorfälle mit den getöteten Katzen schon so lange her, dass er nicht einmal mehr daran gedacht habe, dass etwas passieren könne. Gründe dafür, dass sich erneut ein Tier eingeklemmt habe, könnten es viele sein. Vielleicht hatte sie es auf die Vögel abgesehen, die sich ebenfalls manchmal ins Gewächshaus verirren. Überhaupt seien Katzen heute viel zu vermenschlicht – das sei auch seine eigene gewesen, die ihm überhallhin gefolgt sei. Und trotzdem seien es eigenwillige Tiere.

Fenster schliessen langsam
Befragt wurde B. auch zu seinen Gewächshäusern. Die automatischen Fenster ziehen sich über die ganze Länge der Gebäude – teilweise Dimensionen von 100 Metern. Sie schliessen sich sehr langsam, «man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass sie sich bewegen». Die Fenster würden täglich kontrolliert.

An besagtem Sonntag im März 2017 arbeitete jedoch niemand, eine Nachbarin habe die Katze gefunden. Er sei sofort zum Steuerungskasten gerannt und habe das Fenster geöffnet, da sei es aber schon zu spät gewesen, sagte B.

Er kläre seit dem letzten Jahr verschiedene Möglichkeiten ab, um Katzen von dem guten Dutzend Gewächshäusern fernzuhalten. Drei Gartenbaubetriebe, die er angefragt hatte, hätten ihm gesagt, sie würden keine Massnahmen ergreifen. Ein Gewächshausbauer habe «mal gehört, dass sich ein Marder verklemmt» habe, mehr aber nicht. Dass Massnahmen ergriffen werden und nicht primär Geld von B. verlangt wird, hatte auch der Privatkläger in seinem Brief an das Gericht gefordert. Denn gefordert werden 120 Tagessätze à 140 Franken (16'800 Franken) Geldstrafe bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren sowie eine Busse von 4200 Franken. Die Gebühr für das Vorverfahren von 1100 Franken soll er ebenfalls tragen.

Netze? Auch gefährlich.
Das Veterinäramt hatte dem Gericht eine Lösung in Form von Netzen rund um die Gewächshäuser vorgeschlagen, wie sie bereits auf einem anderen Betrieb eingesetzt werden. Auf Nachfrage von B. bei diesem Betrieb hiess es nach seiner Aussage aber, dass diese Netze sehr wohl Tiere fernhalten sollen – allerdings Insekten, nicht Katzen. Die Netze seien sehr dünn, würden Krallen nicht standhalten oder gar dazu führen, dass sich Tiere darin verheddern. Und 1,5 Kilometer Netz zu spannen, wie er es benötigen würde, sei einfach zu viel.

Eine weitere Möglichkeit ist ein «Katzenschreck». Solche Kisten, die für die Tiere unangenehme Töne von sich geben, hat er aufgestellt. Davon sei ein Nachbar aber nicht begeistert. Und die Tiere gewöhnen sich an die Geräte. Testen will er nun noch einen Elektrodraht, der den Katzen «eis fitzt». Ob und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, will das Gericht erst abklären. Dann wird entschieden, ob die Verhandlung weitergeht oder ob die Sache fallengelassen wird. Was B. dazu sagt? Er ist zufrieden, wenn weitere Abklärungen getroffen werden. Sein Fall im Allgemeinen aber koste zu viel Geld. Geld, das besser eingesetzt werden könnte, um Massnahmen zu testen.

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