Kein Sommer zum Baden

Region - Chemisch bakteriologische Verhältnisse führten im Mai 1971 zu einem Badeverbot in Gewässern, zum Beispiel in der Thur. In Ellikon am Rhein verunmöglichte ein dichter Algenteppich den Fährbetrieb.

Roland Spalinger (spa) Publiziert: 22. Juni 2021
Lesezeit: 2 min

20 Zentimeter betrug das Wachstum pro Woche. Der Algenteppich habe die Strömung «praktisch zum Stillstand gebracht», schrieb die «Andelfinger Zeitung» am 4. Juni 1971, weshalb der Fährbetrieb zwischen Ellikon am Rhein und dem deutschen Ufer eingestellt werden musste. Laut Anwohnern waren Algen dort vorher noch völlig unbekannt gewesen.

Ein paar hundert Meter flussabwärts plagte ein ganz anderes Problem die Bewohner: coliforme Keime im Wasser. Nach Untersuchungen an öffentlichen Gewässern verhängte das kantonale Laboratorium Zürich deshalb ein Badeverbot. Die chemischen und bakteriologisch-hygienischen Verhältnisse seien an einigen Orten derart schlecht, dass das Baden gesundheitsgefährdend sei.

Betroffen waren unter anderem der gesamte zürcherische Thurlauf, der linke Rheinlauf ab Thurmündung bis Tössegg sowie die Töss von Winterthur bis Tössegg. In Seen bei Einläufen von Flüssen, Bächen und grösseren Kanalisationen sei das Baden im Umkreis von 50 Metern zu unterlassen, riet das Labor.

Kantonschemiker warnt
Bereits im Naturschutzjahr-Sommer 1970 war die Bevölkerung angehalten, nicht in der Thur zu baden. Besonders bei geringer Wasserführung sei der Fluss «in hygienischer Hinsicht ungenügend». Aber auch im Rhein solle – obwohl dieser dank dem Ausgleichsbecken Bodensee sauber aussehe, auch wenn er nicht sauber sei – nicht gebadet werden. Mit den Krankheitserregern sei nicht zu spassen, und vor allem Kinder seien besonders anfällig.

Vor der Badesaison 1972 lud die FDP im Bezirk Andelfingen zum Infoabend mit dem Kantonschemiker. Laut ihm war es eine leide Tatsache, dass Kläranlagen das Wasser bakteriologisch nur in ungenügendem Masse reinigten. Die grösste Auswirkung auf die Wasserqualität habe deshalb vor allem die Bevölkerungszahl, die ein Gewässer belaste.

Diesbezüglich zeichnete er aber ein düsteres Bild. Die Industrieproduktion dürfe nicht mehr planlos gesteigert werden, wenn man nicht schon im Jahre 2000 bezüglich Rohstoffen, Nahrungsmitteln und Umweltschutz (Gewässer) einer Katastrophe entgegengehen wolle. Die Flüsse würden von uns allen zu stark strapaziert. «Wir müssen endlich Vernunft walten lassen», mahnte er.

Dann in die Badi
Nach erneutem behördlichem Badeverbot in Rhein und Thur im Jahr 1972 geriet «das herrlich gelegene Andelfinger Schwimmbad vermehrt ins Blickfeld von Bevölkerung und Ausflüglern», schrieben die «Schaffhauser Nachrichten» am 11. Juli; Anfang Mai 2021 nahm das 1967 eröffnete Bad seine 54. Saison in Angriff.

1968, ein Jahr nach dem Badi-Bau, wurde mit der Verwirklichung der Abwasserkläranlage unweit der Badi ein Beitrag geleistet an die Bestrebungen für die Gesundung der Bäche und Flüsse im Bereich des Bezirkshauptorts und zur Erhaltung hygienischer Grundwasser. Im Juli 1973 wurde die Kläranlage in Betrieb genommen.

«Immer eine Momentaufnahme»


Region: 15 Stellen im Rhein und eine in der Thur beprobt das Interkantonale Labor. Badeverbote hat es «praktisch noch nie» erlassen, sagt deren Leiter. Die deutsche Seite heuer schon – es gilt noch immer.

Die aktuellen Messdaten für Thur (1, bei Flaach) und Rhein (15, Stein am Rhein bis Flaach) des Interkantonalen Labors in Schaffhausen im erweiterten Gebiet der «Andelfinger Zeitung» stammen vom 31. Mai; laut Abteilungsleiter Markus Koller wurden gestern Montag erneut Proben genommen, diese Resultate stünden noch aus.

Gailingen hat Probleme
Für Aufsehen sorgte Ende Mai das wegen Escherichia coli verhängte Badeverbot in Gailingen. Wie die Wochenzeitung «Schaffhauser AZ» in ihrer Ausgabe vom 10. Juni schreibt, ist eine alte und undichte Abwasserleitung der Grund, dass dort Fäkalien in den Rhein gelangt sind. Gerade bei viel Niederschlag führe dies zu einem «Eintrag» in die Regenwasserleitung, die in den Rhein entwässere.

Mitte Juni war der Wert laut der Plattform «Nau.ch» immer noch um das 34-fache überschritten. Und auch gestern Montag war das Badeverbot laut Auskunft der Gemeinde Gailingen noch in Kraft. Am Dienstag werde die nächste Wasserprobe genommen und neu entscheiden, sagte die Mitarbeiterin.

Nicht schlucken und duschen
«Probenahmen sind immer eine Momentaufnahme, und die Wasserqualität kann sich insbesondere bei starken Regenfällen schnell verändern», sagt Markus Koller. Starkniederschläge können aufgrund von Entlastungen von Abschwemmungen, Regenüberläufen oder Regenrückhaltebecken die mikrobiologische Wasserqualität des Rheins beeinflussen. Laut Messungen führten diese in den vergangenen Jahren auf Schweizer Seite entlang des Rheins zwischen Stein am Rhein und Rüdlingen vereinzelt zu erhöhten Belastungen mit E. coli und Enterokokken, «aber glücklicherweise nie zu einem Badeverbot».

Es sei empfehlenswert, einige Tage nach einem Starkregenereignis das Baden oder Schwimmen im Rhein zu vermeiden, sagt Markus Koller. Und er rät, kein Wasser zu schlucken und sich nach dem Bad zu duschen oder gut abzutrocknen. (spa)