Wir sind allein in der Gaststube an diesem Freitagmorgen. Helen Rapold lehnt an den Kachelofen, ihr Blick geht aus dem Fenster an den bunten Blättern der Bäume in ihrer Gartenwirtschaft vorbei zu den Türmen der Klosterkirche. «Herrlich», findet sie. An diesem Platz sitzt sie sonst nur, wenn der «Buck» geschlossen ist. Zum Beispiel an einem Sonntagabend, wenn die letzten Gäste gegangen sind, essen auch sie und ihr Mann Matthias dort und geniessen die wohlige Wärme, die vom Ofen ausgeht.
Er könne sich diese Gaststube auch als eigene Stube, also als Wohnzimmer, vorstellen, sagt Matthias Rapold. Und genau das könnte eintreffen. Ende Jahr beenden die beiden, die das Pensionsalter erreicht haben, ihre Wirtetätigkeit und schliessen buchhalterisch ab. Für eine Gruppe, die seit vielen Jahren am 1. Januar kommt, öffnen sie 2026 genau einmal. Aber natürlich ist die Gaststube mit reduzierter Karte auch für andere Gäste.
Seit 1881 in Familienbesitz
Mit Baujahr 1494 ist der «Buck» das älteste erhaltene Haus in Rheinau – und eine Wirtschaft war es, bevor es 1881 in den Besitz der Familie Rapold kam. Matthias Rapold ist die vierte Generation, wobei er sich dem anderen Bereich widmete, dem Postautobetrieb. Den «Buck» übernahmen er und seine Frau Helen am 1. August 1997, nachdem sich seine Mutter überraschend schnell zurückgezogen hatte.
Helen Rapold kommt aus dem Gesundheitsbereich, hat aber immer gern gekocht und im Restaurant der Schwiegereltern ausgeholfen. Als sie das Zepter übernahm – früher als geplant, wie sie sagt –, stand der «Buck» für Wurstsalat und Buureschüblig. Eine Aushilfe reichte.
Seither ist viel passiert – in vielen Bereichen. In knapp 30 Jahren hat sich das Lokal mit typischer Schweizer Küche regional und saisonal einen Namen gemacht. Sie machte früh das (damals noch verlangte) Wirtepatent und füllt mittlerweile Lohnausweise für 26 Personen aus, die sich sieben Vollzeitstellen teilen. Sie könne auf viele treue und langjährige Kräfte zählen, zum Teil seit mehr als 20 Jahren. Darauf ist sie «schon ein bisschen stolz», vor allem aber dankbar. Schon im Frühling habe sie die Mitarbeitenden deshalb über die geplante Schliessung informiert und Lösungen ermöglicht.
Einfach sei es in der Gastronomie nicht – nicht bloss aufgrund der gestiegenen Bürokratie. Bei schönem Wetter ist der Garten voll, bei Regen bleiben Tische leer. Das erfordert Flexibilität von allen. Nach Corona konnte Helen Rapold auf die Hilfe von Ukrainerinnen zählen, um die sie «gottenfroh» ist. Immer noch.
Wie im Niederdorf
Verändert hat sich nebst der Karte das Haus selber. Gleich zu Beginn erneuerten sie die WC-Anlagen. Richtig ans Eingemachte ging es im Jahr 2010: Riegel wurden sandgestrahlt und hervorgeholt, kleine Räume geöffnet und der Kachelofen neu gebaut. Hell statt dunkel war angesagt – und Ambiente. Geblieben ist die geschützte Treppe, die zur Gaststube im ersten Stock führt – «wie in Gebäuden im Niederdorf», sagt Matthias Rapold. Nicht verändert wurde die Grösse der Küche, aber sie wurde praktischer eingerichtet, um zu den Gästen zu bringen, was auf der schönen Karte steht. Rösti-Gerichte zum Beispiel tragen die Namen ihrer vier Kinder.
Wer also nochmals ein Buckpfännli oder – immer noch im Angebot – einen Buckteller geniessen möchte, muss pressieren. Die Metzgete ist schon fast ausgebucht, im Dezember öffnen Rapolds noch für Gruppen auf Anmeldung.
Druck auf Kanton nimmt zu
Als sie den «Buck» übernahmen, verfügte Rheinau über sieben Gastwirtschaften. Nun sind es noch drei. Ihre Umstellung 2024, auch von März bis Oktober zwei statt bloss einen Ruhetag zu haben, hat dazu geführt, dass seither am Dienstag im Ort nicht mehr eingekehrt werden kann.
Nun erhöht die zu 99 Prozent beschlossene Schliessung den Druck auf den Kanton noch mehr, den «Klostergarten» spätestens ab Frühling wieder zu öffnen. Ein frommer Wunsch. Laut Thomas Maag, Sprecher der Zürcher Baudirektion, gab es zwar diverse Interessenten, «aber bis jetzt keine konkreten Vertragsverhandlungen» und somit keinen Neueröffnungstermin.
Ganz zu Ende geschrieben ist das Kapitel «Buck» aber nicht. Wenn es extrem passt, können sich Helen und Matthias Rapold vorstellen, ihren Betrieb jemandem zu überlassen, der oder die ihn im gleichen Stil weiterführt. Und auch wenn sie endlich Zeit für ihre Enkelkinder haben möchte, würde Helen Rapold sogar aushelfen – in der Küche. Am Ofen sitzt sie nur in Ausnahmefällen. Oder wenn das Lokal dann durch Nutzungsänderung tatsächlich ihre Stube ist.
Das Postautounternehmen führt Rapolds Tochter Sabine Krummen als Rapold Mobility AG (AZ vom 10.5.2022), Sohn Pascal ist ebenfalls involviert. Geplant ist ein Neubau in Kleinandelfingen (AZ vom 27.5.2025).
Letzte Runde im ältesten Haus im Ort