Schule Flaachtal: Notbremse gezogen

Flaach - In den Herbstferien ist eine Mittelstufenklasse der Schule aufgelöst worden, die Lernenden wurden auf die verbleibenden sechs Klassen an drei Standorten verteilt. Für Eltern und Kinder ist es ein Drama, für die Schulverantwortlichen eine notwendige Massnahme.

Christina Schaffner (cs) Publiziert: 01. November 2024
Lesezeit: 5 min

Wenn eine Notbremse gezogen wird, bedeutet das selten etwas Gutes. Es ist der Versuch, Schlimmeres zu verhindern. Trotzdem bringt sie meist Leid mit sich – so wie an der Schule Flaachtal, als die 18 Lernenden einer 4. bis 6. Klasse zwei Tage vor den Herbstferien erfuhren, dass sie nach den Ferien andere Klassen besuchen würden. Viele von ihnen werden nun nicht mehr in Flaach, sondern in Dorf und in Berg am Irchel unterrichtet, wo die Schule weitere Mittelstufenklassen führt. Sie wurden auf diese weiterbestehenden sechs Klassen, die alle im Mehrklassensystem geführt werden, aufgeteilt.


«Die Kinder kamen völlig aufgelöst nach Hause», sagt Nicole Moser, stellvertretend für andere Eltern. Auch ihre Tochter ist betroffen, sie muss als einzige 4.-Klässlerin nicht nur in eine andere Klasse, sondern auch in ein anderes Schulhaus. «Es bricht uns das Herz, unsere Tochter so am Boden zerstört zu sehen und nichts ändern zu können.» 

Schockierte Eltern und Kinder

«Alle, die es mitbekommen haben, waren schockiert», fügt Jenny Frauenfelder hinzu, deren Kinder von der Umverteilung nicht betroffen sind. «Zuerst dachten wir angesichts der schockierten Kinder, es hätte einen Unfall gegeben.» Denn die Eltern waren nicht vorab informiert worden, auch nicht die, die von der Umverteilung betroffen waren. «Wir hatten plötzlich weinende Kinder und wussten nicht, was passiert war», sagt Michael Huber, dessen Sohn und Tochter neu in Dorf in zwei verschiedene Klassen gehen. «Warum wurden wir nicht vorab informiert?», fragt er im Namen aller. Die Kommunikation sei an der Schule schon seit Längerem ein Problem, klagen viele Eltern. Die aktuelle Information sei viel zu spät erfolgt, vor allem mit Blick auf berufstätige Eltern und deren Kinder, die direkt zum Mittagstisch gegangen seien und nicht von Erziehungsberechtigten hätten aufgefangen werden können.

Klassenauflösung war länger Thema

Bereits vor den Sommerferien sei die Auflösung dieser Klasse angedacht gewesen, da lange Zeit keine Lehrperson für die Klasse in Sicht gewesen sei, sagt Schulpräsidentin Sandra Dias. Seit Herbst 2023 reihte sich ein Vikariat an das andere, nachdem die ursprüngliche Lehrperson krankheitsbedingt ausgefallen war. «Erst auf den letzten Drücker fanden wir einen Lehrer und konnten positiv in die Zukunft blicken.» Mit der Kündigung hatten sie nicht gerechnet, wollten den Lernenden aber nicht noch weitere Vikariate zumuten. «Um unserem Auftrag nach Stabilität und gleichen Lernchancen für alle Kinder im Flaachtal nachzukommen, haben wir letztendlich entschieden, die Klasse aufzulösen.» In Bezug auf die aktuelle Situation bedauert Sandra Dias, dass die geplante Kommunikation schiefgelaufen ist und Eltern wie Kinder so unvorbereitet traf. «Es ist unglücklich gelaufen, der Zeitfaktor war leider nicht auf unserer Seite.» Die Entscheidung, die Klasse aufzulösen, sei ihnen nicht leichtgefallen.


Cristina Schärer, Co-Schulleiterin der Schule Flaachtal und zuständig für die Mittelstufenklassen, erklärt, dass eine gleichzeitige Information von Eltern und Lernenden vorgesehen gewesen sei. Während die Kinder am Morgen in der Schule von Lehrpersonen informiert wurden, hätte ein E-Mail an die Eltern verschickt werden sollen.

 
Dieses E-Mail blieb aber irgendwo hängen, denn es erreichte viele Erziehungsberechtigte nicht rechtzeitig. «Keine ausreichende Massnahme, weil nicht erwartet werden kann, dass wir ständig in die Mail-Postfächer schauen», meint Jenny Frauenfelder und erhält dafür Zustimmung anderer betroffener Eltern. «Das war nicht gut und tut uns leid», entschuldigt sich Cristina Schärer. Eine andere Informationsart sei aufgrund der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen: Am 1. Oktober hatte die Schulpflege an ihrer Sitzung die Auflösung beschlossen. Am 2. Oktober wurden die Standort- und Klassenzuteilungen unter Einbezug der Lehrpersonen gemacht und am 3. Oktober alles kommuniziert. Am 4. Oktober, dem letzten Tag vor den Ferien, wurden alle betroffenen Kinder am Morgen zu ihren neuen Klassen zum «Schnuppern» gebracht. «Wir sind an starre gesetzliche Vorgaben gebunden, alles muss den verwaltungsrechtlichen Abläufen entsprechen», erklärt Schulpräsidentin Sandra Dias – dies auch mit Blick auf die Rekurse gegen die neue Zuteilung. 


Solche Rekurse kennt die Schulbehörde seit der gescheiterten Konzentration auf zwei Standorte gut (AZ vom 27.11.2020). Damals wehrten sich viele Eltern gegen die Standortzuteilungen ihrer Kinder. Die meisten dieser Rekurse scheiterten – zum Frust der Eltern, die Zeit, Energie und oft auch Geld aufgewendet hatten.
 
Auch jetzt ist in Gesprächen der Unmut über «nicht durchdachte Zuteilungen» spürbar. Wie Pascal Moser sagt, würden nicht die Kinder berücksichtigt, sondern nur Sachzwänge. Manche Eltern sind so frustriert, dass sie am liebsten wegziehen würden, dies aber aufgrund von Eigentum nicht tun. Ob das auch bei der Schlies­sung einer Kindergartenklasse zu diesem Schuljahr eine Rolle spielte, ist unklar. Von ursprünglich 89 Kindergartenkindern, die zu diesem Schuljahr beschult werden sollten, waren am Ende nur noch 76 übrig. Ausserordentlich viele Rückstellungen sowie Wegzüge wurden als Gründe von der Schulpflege angeführt, als sie mitteilte, dass es statt fünf nur noch vier Klassen geben werde (AZ vom 14.5.2024).

Umverteilung soll Ruhe bringen

Den Kindern der nun aufgelösten Klasse hätten sie Stabilität und gleiche Lernchancen nicht mehr garantieren können, so Sandra Dias weiter. Mit der Umverteilung kämen sie in bestehende, gut geführte Klassen. Dadurch soll für sie wie auch die anderen Lehrpersonen Ruhe in den Schulbetrieb einkehren. Denn auch die Lehrerinnen und Lehrer sind gefordert: Statt 18 oder 19 Lernende haben sie nun 22 und 23 Kinder zu unterrichten.


Dass die derzeitige Situation mitten im Schuljahr für Eltern wie Kinder belastend ist, können die Schulleiterin wie auch die -präsidentin nachvollziehen. Aber sie müssten für alle schauen – und das unter der erschwerten geografischen Ausprägung der Schule. In fünf Orten stehen sechs Schulhäuser, jeden Tag werden Schülerinnen und Schüler zwischen den Standorten hin- und hergefahren. Eine Zusammenlegung auf zwei Standorte hatte die Bevölkerung 2020 abgelehnt (AZ vom 27.11.2020). «Wir werden bei freien Stellen mit Bewerbungen nicht überrannt», so Sandra Dias. Aufgrund der unbefriedigenden Situation für alle Beteiligten plane die Schule eine umfangreiche Umstrukturierung. Diese werde professionell begleitet, und auch die betroffenen fünf politischen Gemeinden würden einbezogen. Einen entsprechenden Kreditantrag plant die Schulpflege im Juni 2025 den Stimmberechtigten zu unterbreiten.