Wird Verbindungslinie Ossingen–Andelfingen wieder spruchreif?
Leserbrief von Paul Stopper, Dipl. Bauing. ETH/Verkehrsplaner, Uster
Zwischen Thalheim-Altikon und Stein am Rhein verkehren bis auf Weiteres keine Züge mehr, sondern nur noch Ersatzbusse. Grund ist die Überprüfung der Tragfähigkeit der Thurbrücke. Das verleitet mich dazu, die Frage einer Verbindungslinie Ossingen–Andelfingen wieder aufleben zu lassen. Dadurch würde die wunderschöne Thurbrücke für den Bahnverkehr entbehrlich und könnte als komfortabler Rad- und Fussweg weiterbenützt werden; die Belastung würde ja praktisch auf Null sinken.
Aus der Geschichte ist Folgendes bemerkenswert: Die damalige SBB-Kreisdirektion III in Zürich liess am 17. Oktober 1950 dem Gemeinderat von Gross-Andelfingen ein Schreiben bezüglich Linie Andelfingen–Ossingen zukommen. Aus diesem Brief sei folgendes zitiert: «Herr Gemeindepräsident, sehr geehrte Herren, Sie haben uns erstmals mit Schreiben vom 19. Juli 1948 davon in Kenntnis gesetzt, dass der Standort eines künftigen Bezirksspitals Andelfingen zu bestimmen sei, und haben darauf hingewiesen, dass die ungünstigen Verkehrsverhältnisse in Ihrem Bezirk, besonders aber der Mangel einer West-Ost-Verbindung, die Standortwahl erschweren. Gleichzeitig ersuchen Sie uns, die Anregung näher zu prüfen, ob nicht durch den Bau einer neuen Verbindungsstrecke zwischen Andelfingen und Ossingen die Verkehrsverhältnisse verbessert und die Züge zwischen Winterthur und Etzwilen überhaupt über Andelfingen geführt werden könnten. […].»
Die SBB liess eine solche Verbindungsschlaufe abklären und kam zum Schluss, dass der Bau der vorgeschlagenen Verbindungslinie durchaus möglich wäre. Die Baukosten wurden auf 3,5 Millionen Franken geschätzt; es muss sich um eine Verbindungsschlaufe von Ossingen direkt auf die bestehende Bahnbrücke der Schaffhausen–Winterthur-Linie gehandelt haben, denn die SBB merkte an, dass für die aus dem Jahre 1874 stammende Eisenkonstruktion der Thurbrücke in «absehbarer Zeit» hohe Reparaturkosten anfallen würden, d.h. ca. 2,5 Millionen Franken. Diese könnten beim Bau der Neubaustrecke eingespart werden.
Gleichwohl kam die SBB zum Schluss, dass sich angesichts des geringen Verkehrs eine Verbindungsschlaufe Andelfingen–Ossingen nicht rechnen würde. Ins Gewicht fiel vor allem auch die Unterbrechung der Linie Thalheim–Ossingen.
Die Thurbrücke wurde in der Folge renoviert. Die Kosten dafür sind unbekannt.
Am 25. Mai 1987 reichte der damalige Winterthurer LdU-Kantonsrat Martin Forster ein Postulat ein (KR-Nr.-41/1987), in dem die Regierung eingeladen wurde, folgende Massnahmen für die SBB-Linien Winterthur–Etzwilen, Winterthur–Schaffhausen und Winterthur–Frauenfeld zu prüfen
- Bau einer Verbindungslinie Ossingen–Andelfingen für neue Direktverbindungen Stammheim–Andelfingen–Winterthur
- Errichtung neuer SBB-Stationen Waltalingen, Gütighausen, ev. Thalheim und Veltheim-Wülflingen sowie Gundetswil
- Ausbau der Linie Winterthur–Schaffhausen zur internationalen Schnellzuglinie Zürich–Flughafen–Winterthur–Schaffhausen–Stuttgart
Der Zürcher Regierungsrat liess in seiner Antwort (Vorlage 2885 vom 20.1.1988) verlauten, dass sich bezüglich der Verbindungslinie Ossingen–Andelfingen eine solche durch die Zusammenfassung der Potenziale beider Linien durchaus rechtfertigen liesse. Gleichwohl passierte nie etwas Konkretes.
In der Zwischenzeit wurde die Thurbrücke wieder saniert. Jetzt, wo der Zustand der Thurbrücke erneut Sorgen bereitet, ist nun ernsthaft zu überlegen, ob statt grosser Reparaturarbeiten nicht doch die seit mehr als einem Jahrhundert diskutierte und auch gewünschte Verbindung Ossingen–Andelfingen erstellt werden soll.
Thalheim müsste – im Gegensatz zu früheren Überlegungen – mit Andelfingen durch den Bau einer ebenfalls neuen Bahnlinie verbunden bleiben. Die Linienverknüpfungen im Weinland und der weitere Ausbau der Weinländer SBB-Linien im Bereich Andelfingen/Ossingen müssen ja generell neu überdacht werden.
Sicher fünf Wochen Bahnersatz