Der verabredete Skype-Anruf klingelt auf dem Computer von Saxophonlehrer Urs Bossart. «Hoi Pascal, ich hör dich, aber ich seh dich nicht, richte mal deine Kamera anders ein oder stell dich anders hin», sagt er. Sein Schüler schafft es, er erscheint grinsend auf dem Bildschirm. Sich selbst sieht der Lehrer im kleinen Fenster am oberen Rand. «Du, für mich ist das hier auch neu», sagt der Lehrer. «Probieren wir es einfach mal aus. Spiel mal ein H.» Der Schüler ist gut zu hören. Später soll er vorspielen, was er geübt hat. «Mach bitte ein Foto deines Notenblatts und schick es mir aufs Handy», bittet der Lehrer. Sekunden später hat er die Noten. Der Schüler spielt sie vor. Der Lehrer gibt via Kamera Anweisungen, klatscht den Takt mit, spielt dann sogar die zweite Stimme dazu. Am Ende der Lektion verabreden sie sich: nächste Woche, gleiche Zeit, gleicher Ort.
Der Testlauf mit dem ersten Schüler hat erstaunlich gut geklappt, er war mit Skype schon vertraut. Anderen Familien geht es wie Urs Bossart: Bisher hatte er nie das Bedürfnis, vor laufender Kamera zu telefonieren, und deshalb nie Plattformen für Videoanrufe genutzt. Einen Tag brauchte er, um das App herunterzuladen, sich zu registrieren, allen Schülern seine Skype-Adresse und Terminvorschläge zu senden und einen Notstundenplan zu erstellen. «Die Eltern haben voll mitgezogen und Zeit investiert, um die Programme zu installieren», erzählt er. Und die Schülerinnen und Schüler fänden die Abwechslung spannend und seien motiviert – «sie haben gerade viel Zeit, die sie mit ihrem Instrument gut verkürzen können», vermutet er.
Hätte ihn jemand vor zwei Monaten um Musiklektionen via Internet gebeten, hätte er abgewinkt – der persönliche Kontakt sei wesentlich. Doch Ende letzter Woche haben die beiden regionalen Musikschulen ihre Lehrkräfte angewiesen, für die abgesagten Lektionen so schnell wie möglich kontaktlosen Ersatz anzubieten. Innert drei Tagen haben die ersten Lehrkräfte den Schritt vom analogen zum digitalen Unterricht gemacht.
Urs Bossarts Fazit nach den ersten Lektionen: Als Notlösung sei Fernunterricht machbar, vorausgesetzt, dass vorher schon mit persönlichem Unterricht eine Basis gelegt worden sei. Doch für absolute Anfänger und sehr fortgeschrittene Schüler eigne sich diese Form nicht – da müssten Finger- und Kopfhaltungen beobachtet und korrigiert werden oder Notizen und Erklärungen direkt aufs Notenblatt geschrieben werden können.
Als alleinige Unterrichtsform der Zukunft wünscht er sich und den Lernenden den Fernunterricht also nicht. «Die Technik funktioniert allerdings besser, als ich gedacht hätte», gibt er zu. Zwar habe mit Facetime das simultane Spielen nicht geklappt, dort gebe es Verzögerungen. Doch via Skype seien sogar Duette möglich.
Die Kilometer fallen weg
Die Musikschule Andelfingen und Umgebung MSA hat bereits für gestern Abend eine Weiterbildung für die Lehrpersonen organisiert, gehalten von der Oboenlehrerin Elena Gonzalez. Sie ist auf E-Learning im Musikunterricht spezialisiert und kann dem Lehrerteam technisch und pädagogisch gute Tipps geben – konsequenterweise ohne Zusammenkunft, nur via Bildschirm.
Besonders das ist für Urs Bossart ungewohnt. Normalerweise pendelt er zwischen den Schulhäusern, 250 Kilometer legt er jede Woche zurück. Nun sitzt er die ganze Woche zu Hause in einem improvisierten Senderaum und kommuniziert nur noch auf technischen Kanälen. «Ökologisch ist das sicher besser. Bewegung und Begegnung sind mir aber lieber.»
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Situation zwingt zum Umdenken