Weinland

«So ist es eine Farce!»

Von Missständen in den Behörden wollten die über 70 Stimmberechtigten an der Schulgemeindeversammlung nichts wissen. Was jedoch viele Redner störte, war das Auftreten des Antragstellers. Eine Rücktrittsforderung stand nicht im Raum.

von Tizian Schöni
21. Juni 2024

Das dürfte es noch nie gegeben haben: 46 ordentliche Anfragen formulierte ein Dägerler Vater im Rahmen von Paragraph 17 des Gemeindegesetzes an die Schulpflege. Der Hintergrund: Er wirft den Schulbehörden schweres Fehlverhalten im Zusammenhang mit einem eskalierten Streit auf dem Pausenplatz vor (AZ vom 21.6.2024).

Abwechselnd lasen die Mitglieder der Schulpflege die Fragen des Vaters und die Antworten der Behörde vor. Schon nach der ersten Antwort – man könne wegen einer laufenden Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat keine Auskunft geben – ergriff der Vater das Wort. Er wolle nach jeder Frage direkt Stellung nehmen, und er stellte einen Antrag auf Verlängerung seiner Redezeit. Dieser wurde mit 10 zu 49 Gegenstimmen abgelehnt.

Die Regeln sind klar
«So ist es eine Farce!», kommentierte der Vater das Ergebnis. Obwohl Schulpflegepräsident Christian Gfeller darauf hinwies, dass die Verlesung einige Zeit in Anspruch nehmen würde und er sich danach im selben Zeitrahmen äussern könne. Der Anfragesteller hielt es trotzdem für einen «Kampf mit ungleich langen Spiessen». Seine Erwiderungen würden zusammenhangslos wirken, müsste er sie am Ende vorstellen. Und die Schulpflege habe ihm verwehrt, Dokumente an der Leinwand oder auf Pinnwänden zu präsentieren. Er werde die Antworten nicht weiter kommentieren. Was sagt das Gemeindeamt in einem solchen Fall? Der Rechtsdienst greift die Formulierung der «gleich langen Spiesse» selbst auf. Die anfragende Person habe ein Recht auf eine dem Anfragegegenstand und der Antwort der Schulpflege angemessene Stellungnahme. Heisst: Zeit und Rahmen von Beantwortung und Stellungnahme sollten sich im gleichen Umfang bewegen. Im Leitfaden zur Leitung von Gemeindeversammlungen ist explizit erwähnt, dass die anfragende Person «mündlich Stellung nehmen» kann. Was zur Form der Schulpflege passen würde, die ebenfalls keinerlei visuelle Hilfsmittel zur Beantwortung der Fragen hinzuzog.

Beschwerde beim Bezirksrat hängig
Auf die meisten der 46 gestellten Anfragen antwortete die Behörde lediglich mit dem Verweis auf die laufende Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat. Den Vorwurf der Befangenheit eines Behördenmitglieds in Bezug auf eine Gewalttat an der Schule lehnte sie konsequent ab. Dies mit dem Hinweis, es habe nie eine freundschaftliche Beziehung zwischen dem gewalttätigen Jugendlichen und dem Kind eines Behördenmitglieds gegeben. Dass dieses aber in den Streit involviert war, ist durch mehrere Quellen bestätigt. Ob diese Begründung auch vor dem Bezirksrat standhält, bleibt abzuwarten.

Das Volksschulamt verweist nach Anfrage auf das Gemeinde- und das Verwaltungsrechtspflegegesetz. Demnach sollen Personen, die eine Anordnung zu treffen haben dann in den Ausstand treten, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben. Zum konkreten Fall könne aber keine Stellung genommen werden. Zuständig sei der Bezirksrat mit der bei ihm liegenden Aufsichtsbeschwerde.

Dass diese Angelegenheit überhaupt an einer Gemeindeversammlung diskutiert wurde, störte mehrere Stimmberechtigte. «Wenn es Gewalt an der Schule gibt, ist das nie gut. Ich möchte, dass das geklärt wird. Aber nicht in diesem Rahmen», sagte eine Teilnehmerin. Dass zuvor zahlreiche Gesprächsversuche gescheitert waren, zeigten die Antworten der Schulpflege. Ein Termin mit der Familie des Täters und der des Gewaltopfers wurde vom Antragsteller selbst abgelehnt, wie aus einem zuvor veröffentlichten Flugblatt hervorgeht. Aber auch die Schulpflege verwehrte laut der Dokumentation des Vaters Gesprächsangebote.

Die Behörde stellte sich auf den Standpunkt, Gespräche seien so lange geführt worden, bis «alles gesagt war». Und sie signalisierte mehrfach, dass ein Dialog zwischen dem Vater und der Schulpflege nach dem Abschluss des Verfahrens wieder möglich sei.

Unter die Vorwürfe im Bezug auf den Umgang mit der Gewalttat, die im Dezember 2022 stattfand, mischten sich viele weitere.

Rücktritt nicht gefordert
Drei Fragen beschäftigten sich mit dem «verwaisten» Elternforum, das laut der Antwort Schulpflege «durch Corona inaktiv» geworden war. Mittlerweile sei es reaktiviert worden. Weitere Anfragen beschäftigten sich mit den fachlichen Kompetenzen und den absolvierten Ausbildungen von Schulleitung und Schulpflege, dem nicht erneuerten Anschlussvertrag mit Andelfingen oder gar der Rechtschreibung in E-Mails der Schulleitung. Nummer 46 lautete schliesslich: «Sind Sie bereit, durch Ihren Rücktritt die Situation zu entspannen und einen Neuanfang zu ermöglichen, im Sinne der Schule sowie der Schülerinnen und Schüler?» Darauf antwortete die Behörde in Bezug auf das Präsidium: Sollte die Versammlung dies wünschen, werde Christian Gfeller sein Rücktrittsgesuch einreichen. Doch zu dieser Frage kam es gar nicht erst.

Unmittelbar nach der Verlesung, die knapp eine Dreiviertelstunde dauerte, verlangte ein Mann die Redezeitbeschränkung des Anfragestellers auf zehn Minuten. Auf diesen Antrag ging der Präsident nicht ein, aber auch der betroffene Vater wollte sich nicht weiter äussern. Er sagte bloss: «Das was hier passiert, ist ein zu Grabe tragen der Demokratie.»

Eine «Vermischung» der Vorwürfe
Mehrere Stimmberechtigte äusserten sich anschliessend zum Thema, kein einziger als Fürsprecher des Anfragestellers. «Den Beweis als Fachexperte haben Sie heute nicht erbracht», sagte ein Mann mit Bezug auf den Vater, der selbst eine pädagogische Ausbildung besitzt. Ihn störte die «Vermischung» der Vorwürfe. «Es sei längst eine persönliche Angelegenheit», fand ein anderer. Und ob der Antragsteller, wenn er einen Rücktritt fordere, stattdessen nicht selbst kandidieren wolle.

Ein Ordnungsantrag zum Abbruch der Diskussion wurde schliesslich mit einer Gegenstimme angenommen. Der Anfragesteller selbst hatte die Versammlung da bereits vorzeitig verlassen.

Dabei wäre noch ein weiteres Traktandum auf der Tagesordnung gestanden. Der Vater hat nämlich, zusätzlich zur Aufsichtsbeschwerde und den Anfragen eine Einzelinitiative eingereicht, welche die Eingliederung der Schul- in die politische Gemeinde fordert. «Obwohl wir uns am Initiativtext stören, finden wir es gut, die Bildung einer Einheitsgemeinde zu prüfen», sagte Christian Gfeller. Der Vorstoss sei vom Gemeindeamt für gültig erklärt worden, man werde nun weitere Schritte prüfen.

Jahresrechnung und Schnitzelheizung

Einen Hinweis auf eine längere Versammlung gab es schon in der Rechnung: Ein nicht budgetierter Mehraufwand im Bereich «Schulleitung» aufgrund einer Rechtsberatung. Insgesamt konnte Finanzvorsteherin Karin Hauser aber ein positives Ergebnis vorstellen. Die Schul­gemeinde senkte auf das vergangene Jahr ihren Steuerfuss um acht Prozentpunkte auf 54 Prozent. Offenbar wurde daraufhin zu konservativ budgetiert: Es flossen 202'000 Franken mehr als geplant in die Kasse. So glichen sich dafür einige kleinere Mehrausgaben aus. Und: Die rund 100'000 Franken, die für mehr Sonderschulungen ausgegeben werden mussten, konnten ebenfalls aufgefangen werden.

Jürg Herrmann aus dem Ressort Liegenschaften informierte über die neue Holzschnitzelheizung im Schulhaus, die auch die alte Post, das Feuerwehrgebäude und das Gemeindezentrum beheizt. Der Objektkredit von 600'000 Franken wurde nicht überschritten, weshalb die Abrechnung im März von der Behörde genehmigt worden war. Wer sich die Anlage beschauen möchte, so der Schulpfleger, dürfe sich gerne bei ihm melden. (tz)

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