Weinland

Sonderfall im Strombereich

Strom wird 2025 wieder günstiger. Ausnahmen von der Regel bilden im Bezirk Andelfingen und Mar­tha­len, jedoch mit gänzlich unterschiedlicher Ausgangslage. Ein Überblick.

von Roland Spalinger
06. September 2024

So fangen fast alle «Asterix»-Hefte an: «Ganz Gallien ist von den Römern besetzt ... Ganz Gallien? Nein!» Und so präsentiert sich auch die Tariflandschaft bezüglich des Stroms. Im ganzen Kanton Zürich sinken die Preise … Nein! Mar­tha­len schlägt erneut auf. Aber anders als im bekannten Comic nützt in diesem Fall Widerstand nichts, es gibt aber Möglichkeiten, dazu später.

Im Kanton werden die meisten Gemeinden von der EKZ versorgt, im Weinland alle ausser Andelfingen, Benken und Mar­tha­len. Ende August teilte die EKZ mit, den Stromtarif 2025 um durchschnittlich zwölf Prozent auf 27,26 Rappen zu senken. Im Vergleich zum Vorjahr zahle ein Haushalt (Jahresverbrauch 2500 Kilowattstunden, kWh) im Jahr rund 110 Franken weniger.

Andelfingen bleibt günstig
Auch in den drei Gemeinden mit eigenen Elektrizitätswerken wurden Ende August die Tarife 2025 bekanntgemacht, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Über die Berechnungen müssen diese bei der Elcom (Bund) Rechenschaft ablegen.

Benken senkt den Tarif ebenfalls. Mit 1,17 Rappen weniger kostet die Kilowattstunde Strom dort neu 28,15 Rappen. Andelfingen meldet einen zünftigen Aufschlag von 24 Prozent. Mit 21,38 Rappen weist der Bezirkshauptort aber immer noch einen Spitzenwert aus, nicht nur im Kanton.

Opfer des eigenen Erfolgs
Auf der anderen Seite steht nun eben Mar­tha­len. Nach vielen guten Jahren erhöhte die Elektrizitätsgenossenschaft EGM den Preis 2024 stark. Und auch 2025 steigt er, auf neu 35,44 Rappen pro kWh, für einen Durchschnittshaushalt 110 Franken mehr. «Das macht mir Sorgen», sagt Brigitte Gut von der gleichnamigen Bäckerei. Strom ist bei ihr ein gros­ser Posten. Sie prüfe deshalb, Strom auf dem freien Markt einzukaufen.

Dies würde auch Paul Mayer machen. Doch der Strombezug des Metallbauunternehmers und Kantonsrats (SVP) liegt unter der dafür nötigen Schwelle von 100'000 kWh. Und doch habe er gehandelt, sagt er: Seine Solaranlage soll drei Viertel des Bedarfs decken. Seit zwei Monaten ist sie in Betrieb, Erfahrungen eines Winters hat er ergo noch keine. Allenfalls würde er noch in Speicherung investieren. «Wir haben kein Produktions-, sondern ein Speicherproblem», fasst er die Herausforderung im Strommarkt zusammen.

Bereits angeordnet hat er Optimierungen im Betrieb, zum Beispiel den Stapler am Samstag und nicht mehr am Freitagabend zu laden, und beim Ersatz von Fahrzeugen dank eigenem Strom auf E-Mobilität zu setzen.

Auch andere Dächer in der Mar­tha­ler Gewerbe- und Industriezone sind mit Solarzellen bestückt – die Gebäude von Landi, Fenaco und Rüeger – oder werden es noch, wie die ehemalige Kauf-Halle. Was an sich gut ist, ist schlecht für die EGM. Sie ist gesetzlich verpflichtet, den Strom abzunehmen, und somit Opfer des eigenen Erfolgs. Als Folge von viel Solarstrom in ihrem vergleichsweise kleinen Gebiet hat sie bereits den Niedertarif gestrichen – ob Tag oder Nacht, Strom kostet gleich viel.

Netzbelastung: Spitzen brechen
Den Einheitstarif führen ab 2025 auch die Centralschweizerischen Kraftwerke CWK ein. Sie stellen eine Senkung um bis zu 30 Prozent in Aussicht, indem sie bei der Kundschaft den Anreiz schaffen, Leistungsspitzen zu brechen und den Verbrauch zu glätten und möglichst gleichmässig über den Tag zu verteilen.

Denn: Die Netzbelastung werde «verstärkt zur Herausforderung und zu einem Kostentreiber», schreibt die CWK. Die Folge sei ein teurer Ausbau. Genau das ist am Beispiel Mar­tha­len mit viel Solarstrom ersichtlich. Solche Investitionen ins Netz werden in den Rechnungen mit Netznutzung ausgewiesen. Zum Vergleich: In Mar­tha­len sind es neu 11 (+3) Rappen pro kWh. In Benken, das wenige grosse Gewerbebauten hat, 6 Rappen.

Eine zweite Folge der Solaroffensive in Mar­tha­len: Die Vergütung sinkt von heute 17 auf noch knapp 5 Rappen. Für Paul Mayer heisst das, die Investition über eine noch längere Zeit abschreiben zu müssen. Die EKZ bezahlen 15,3 Rappen. Mar­tha­len wird zum doppelten Sonderfall. Lohnt es sich unter diesen Umständen, ein solcher zu bleiben? Auf diese Frage wollte bei der EGM niemand eingehen; es wurde auf die Infoveranstaltung am 3. Oktober verwiesen. Ein paar unbeugsame Mar­tha­ler werden dabei sein.

Übersicht: www.strompreis.elcom.admin.ch/

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