Wenn Stahlarbeiter Stripper werden

Andelfingen - Im neuen Stück der Weinlandbühne ziehen sich Männer vor dem Publikum aus – darunter auch neue Mitglieder im Ensemble. Zudem ergänzen zwei Mädchen das Team, die sich eine Jungenrolle teilen.

Christina Schaffner (cs) Publiziert: 01. März 2024
Lesezeit: 4 min

Die am Boden liegende Stahlindustrie in England, Arbeitslose in Geldnot und eine unkonventionelle Idee machen das Stück «The Full Monty» aus. Die Weinlandbühne Andelfingen bringt es in diesem Monat auf die Bühne. Es handelt sich um die Uraufführung im deutschsprachigen Raum, obwohl der Stoff durch den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1997 vielen bekannt ist: Arbeitslose Stahlarbeiter suchen nach Verdienstmöglichkeiten und kommen auf die Idee, eine Stripshow anzubieten. Regisseurin Eva Mann hat das Stück von Simon Beaufoy übersetzt. Sie hat es der Truppe vorgeschlagen, und Thomas Kromer verlieh ihm den zürideutschen Schliff.

Herausfordernd an «The Full Monty» ist, dass sich die Akteure auf der Bühne nicht nur ausziehen, sondern als Stripper versuchen. Ob das ein Grund ist, warum es nicht früher den Weg auf deutsche Theaterbühnen schaffte, ist unklar. Sicher ist aber, dass die Männer der Weinlandbühne Andelfingen dieses Mal anders als sonst gefordert sind. «In gewisser Weise ist es die Rache für das Stück ‹Calendar Girls›, bei dem sich die Frauen auf unserer Bühne ausgezogen haben», meint Stefan Truninger, Präsident des Vereins und einer der Schauspieler, die sich ausziehen.

Ausziehen? Kein Problem!
Während Stefan Truninger Bühnenerfahrung hat, ist es für zwei andere Neuland: Martin Rudolf, der Dave spielt, und Dominik Gut, Lomper im Stück, spielen nicht nur zum ersten Mal auf der Bühne, sondern sie ziehen sich auch zum ersten Mal vor Publikum aus. Zwar nur bis auf die Unterhose, aber immerhin.

Ein Problem? Nein, meint Martin Rudolf. Er habe bei der Zusage zum Mitspielen angegeben, er mache das, wofür er eingeplant werde. Eva Mann gab ihm eine Hauptrolle, er steht während des ganzen Stücks auf der Bühne. «Ob kleine oder grosse Rolle, das macht für mich kaum einen Unterschied», meint er, der Zeitaufwand sei derselbe. «Auch wenn es eine sehr intensive und strenge Zeit ist, bedeutet es doch Entspannung für mich», sagt Martin Rudolf zu seiner ersten Theatersaison.

Die Rolle eines Strippers betrachtet Dominik Gut, der seit zwei Jahren bei einem Improtheater mitmacht, ähnlich: «Es ist eine Rolle, in die wir schlüpfen, und bei deren Kreation uns Eva Mann gut unterstützt hat.» An die Strip-Szene seien sie von ihr gut herangeführt worden.

Ungewöhnlich ist auch, dass die Töchter der beiden mit ihnen auf der Bühne stehen. Die Mädchen spielen abwechselnd den Jungen Nathan, der immer dabei ist. «Diese Rolle wurde doppelt besetzt, um die Kinder zu schützen», sagt Regisseurin Eva Mann. Einem Erwachsenen mit Fieber könne sie sagen «Nimm eine Tablette und spiel». Das wäre bei einem Kind nicht möglich. Da es eine wichtige Rolle sei, werde sie deshalb doppelt besetzt.

Mit den Kindern auf der Bühne
So kamen Leonie Gut (9 Jahre) und Norina Rudolf (13 Jahre) zu ihrer ersten Rolle in einem Erwachsenentheater. Leonie Gut spielt bereits seit Jahren im Kindertheater, und Norina Rudolf liebt es, in andere Rollen zu schlüpfen. Sie findet es toll, einen Jungen darzustellen, denn so könne sie sich cool stylen.

Mit einem Familienmitglied auf der Bühne zu stehen, biete diverse Vorteile, sind sich die vier einig. Sie übten zu Hause gemeinsam die Dialoge – mit Unterstützung ihrer Mütter, die die anderen Rollen sprachen. «Das gibt Sicherheit», spricht Leonie aus, was auch die anderen empfinden.

Seit 60 Jahren auf der Bühne
Martin Rudolf, der beruflich Oldtimer restauriert, und Multimediadesigner Dominik Gut sind durch den Vereinspräsidenten Stefan Truninger in die Theatermannschaft gerutscht. Für das männerlastige Stück hatte er weitere Akteure gesucht.

So stehen diesmal 20 Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne, einige davon mit sehr kleinen Rollen. So wie Regula Bollinger, die bereits seit 1964, also seit 60 Jahren, bei der Weinlandbühne Andelfingen mitspielt. Die fast 80-jährige pensionierte Lehrerin mimt dieses Mal eine Dame vom Arbeitsamt und eine Mitarbeiterin vom Jugendamt. Auch nach so vielen Jahren ist sie immer noch voller Begeisterung dabei – obwohl auch sie damals eher zufällig durch eine Kollegin ins Team kam.

Noch bleibt den Akteuren eine ganze Woche Zeit für den Feinschliff. Am 8. März öffnet sich der Vorhang zur Premiere. Seit dieser Woche finden die Proben im Löwensaal mit Bühnenbild, Requisiten und Kostümen statt. Kurz vor der Premiere sind alle Mitwirkenden ein wenig aufgeregt. «Aber wir haben uns mit der Zeit gut in die Rollen gespielt», meint Leonie Gut. Die Texte sitzen, die Kleider auch. Nun fehlen nur noch die Zuschauer, und es kann losgehen.

Freitag, 8. März (Premiere) bis 23. März (10 Aufführungen): «The Full Monty», Löwensaal, Andelfingen. Reservation und Vorverkauf