200 Leute lauschten dem Podium im Schwertsaal.
Medien sollen auch informieren und den Lesern helfen, einzuordnen. Diese Aufgabe haben die «Andelfinger Zeitung», der «Landbote» und die «Schaffhauser Nachrichten» mehr als erfüllt: Nicht nur, dass sie die Kandidaten für die Gemeinde- und Schulbehörde des künftigen Stammheims vorstellten, sie organisierten auch den öffentlichen Rahmen in Form eines Podiums gleich selbst. 200 Personen waren der Einladung der drei Medien in den Schwertsaal gefolgt – um beifällig zu nicken, die Stirn zu runzeln und zu lachen.
 Jakob Bächtold, stellvertretender Chefredaktor des «Landboten» hatte zu Beginn der Veranstaltung das Ziel definiert: «In zwei Stunden sollten sie wissen, wen sie auf den Zettel schreiben werden.» Gewählt wird am 23. September, zur Auswahl stehen Männer und Frauen zwischen 34 und 60 Jahren, aus allen drei (vier) Dörfern, von SVP über Grün bis parteilos. Sowohl in der RPK, der Schulpflege als auch im Gemeinderat sind mehr Kandidaturen vorhanden, als Sitze zu vergeben sind.
Fragen wurden den Kandidaten zur Person, zur politischen Einstellung, zu jener geÂgenÂĂĽber der neuen Gemeinde gestellt und dazu, was sie der neuen Gemeinde schenken wĂĽrden. Die Vertreter der drei Zeitungen und das Publikum wollten es genau wissen. Rund 20 anonym und schriftlich gestellte Fragen gingen ein – und ein ganzes Regierungsprogramm mit Verbesserungsvorschlägen, wie Jakob Bächtold scherzhaft meinte.
Die Präsidentschaftskandidaten
«Andelfinger Zeitung»-Redaktorin Silvia Müller lockte die potenziellen Präsidentschaftskandidaten aus dem Busch. Beatrice Ammann und Hans Rudolf Langhart interessieren sich für das Präsidium des Gemeinderats, Anita Fleury und Lorenzo Galvan für jenes der Schule und damit einhergehend einen Einsitz im Gemeinderat der Einheitsgemeinde. Nicht anwesend war Schulpräsidentschaftskandidat Christoph Frei.
Beatrice Ammann (56) ist parteilos, tätig als Sicherheitsbeauftragte der Kantonspolizei am Flughafen und seit 16 Jahren Gemeinderätin in Oberstammheim. Kommunikation ist ihr wichtig, damit liesÂsen sich Konflikte lösen, bevor sie entstehen. Sie hat den Weinländer Zivilschutz mitbegrĂĽndet und leitet seit 14 Jahren den Sicherheitszweckverband. FĂĽr die neue Gemeinde wĂĽnscht sie sich das Bewahren des Gemeinschaftssinns und dass allfällige Gräben, die bei der Fusionsdiskussion aufgegangen sein mögen, wieder zugeschĂĽttet werden.
Hans Rudolf Langhart (50) ist seit zwölf Jahren Gemeinderat in Oberstammheim und leitet als Geschäftsführer die Landi Andelfingen. Das Stammertal hat er nie verlassen. Er ist Mitglied der SVP – im Alltagsgeschäft sei die Parteizugehörigkeit wohl aber sekundär. Heute ist er Bauvorstand, neue Ressorts anzunehmen würde ihn aber reizen. Für die Gemeinde Stammheim wünscht er sich volle Säle an den Gemeindeversammlungen.
Seit acht Jahren lebt Anita Fleury (60) in Guntalingen, seit vier Jahren ist sie parteiloses Mitglied der Schulpflege. Als «Neuzuzügerin» – immer wieder geistert im Weinland das Bonmot umher, wer unter 25 Jahre in der Region lebt, gehört in diese Kategorie – fühlt sie sich kaum, in Guntalingen sei sie zu Hause. Die Sekundarlehrerin hat den Verband der Berufskollegen im Kanton Thurgau Co-präsidiert. Im Fusionsprozess hat ihr das Zuhören gefehlt, was sie in die neue Behörde einbringen möchte – das und eine gute Prise Humor.
Lorenzo Galvan (46) lebt in Oberstammheim, präsidiert die SVP des Tals und ist als Informatikberater tätig. Er war bereits Schulpfleger, trat aber während der Amtszeit zurück. Das Gesuch an den Bezirksrat habe er damals ungern geschrieben und seither das Gefühl gehabt, «Galvan, häsch öppis nid fertig gmacht». Als Erstes gelte es, in der neuen Gemeinde Kontinuität herzustellen, dann aber auch mit querdenkerischen Ansätzen in die Zukunft zu sehen. Für diese wünscht er sich viele Kinder – damit die Diskussionen um die Schliessung von Schulstandorten ein Ende haben.
Die Gemeinderatskandidaten
Die Befragung der Gemeinderatskandidaten – neun für fünf Sitze – übernahm «Landbote»-Redaktor Markus Brupbacher. Entschuldigt für das Podium war Kandidat Urs Ulrich. Einig waren sich die Anwesenden in einem Punkt: Die Poststelle in Stammheim zu schliessen wäre katastrophal.
Gemeinderat bleiben möchte Stephan Ammann (46). Er ist parteilos, wohnhaft in Unterstammheim und Inhaber einer Bäckerei-Konditorei. Bewegendstes Thema seiner acht Jahre in der Behörde war sicher die Fusion – gegen die er sich wehrte. Er habe sich exponiert mit seiner Meinung, in einem demokratischen Prozess sei die Wahl auf die andere gefallen. Darin füge er sich, er wolle in der neuen Gemeinde aber auch dafür sorgen, dass jene 20 bis 44 Prozent, die Nein gesagt hatten, sich wiederfinden.
Ilona Diriwächter (51) ist seit zwölf Jahren Gemeinderätin in Waltalingen, arbeitet im kaufmännischen Bereich und gehört keiner Partei an. Sie schätzt die unkomplizierte Art der Politik im Tal, «auch mal über den Gartenzaun» etwas besprechen zu können, und möchte, dass dies so bleibt. Die Politik in der Einheitsgemeinde soll sich so gestalten, dass auch die Fusionsgegner sagen können, es sei ein guter Schritt gewesen.
Simon Eriksson (34) würde gerne das Ressort Wald übernehmen – klar, der Oberstammheimer ist Förster des Reviers Ossingen-Truttikon. Bisher hatte er kein Amt inne, einsetzen würde er sich für eine nachhaltige Entwicklung und Bewirtschaftung des Stammertals. Ein Augenmerk legt er auch auf das örtliche Gewerbe – wer beispielsweise ein Haus bauen wolle, finde dafür alles im Tal. Für Stammheim wünscht er sich ein «Wir-Gefühl».
Martin Farner Schmid (57) kämpft für eine lockere(re) Bau- und Zonenordnung. Der SVP-Mann, ehemalige Primarschulpfleger und Inhaber einer Gartenbaufirma, sei selbst beim Ausbauwunsch in ein zu enges Korsett geschnürt worden (die «AZ» berichtete). Inzwischen ist er Mitglied des kantonalen Baurekursgerichts. Wenn er könnte, würde er Stammheim 1000 Bäume schenken als Ersatz für das, was beim Sturm im August 2017 niedergemäht wurde.
Thomas Feer (60) ist Mitglied der Regionalkonferenz Zürich Nordost – und der Unterstammheimer war ein Fusionsbefürworter der ersten Stunde. Der Präsident der Weinländer Grünen findet es wichtig, in einem Gremium das ganze politische Spektrum von links bis rechts anzuhören. Für eine Überraschung sorgte er bei der Frage, wie besorgniserregend er ein Endlager im Weinland fände: Von 1 (nicht besorgniserregend) bis 10 (sehr besorgniserregend) konnte er wählen und entschied sich für die goldene Mitte 5 – mehrere Bürgerliche zeigten eine 10.
Fabian Kühner (42) ist Jurist sowie Offizier bei der Kantonspolizei und hat dort 200 Leute unter sich. Vier Jahre lang präsidierte der Waltalinger die Weinländer Jungfreisinnigen, heute ist er parteilos. Wellenreiten und Surfen gehören zu seinen Hobbys – zu seinen Zielen, das Stammertal in die Zukunft einer Welt zu führen, die in Bewegung sei. Führungserfahrung sei das eine, wichtig ist seiner Meinung nach aber gut zuzuhören, dann zu beurteilen und schliesslich zu entscheiden. Fürs Stammertal wünscht er sich Gelassenheit.
Die Schulpflegekandidaten
Fünf Sitze sind in der Schule zu vergeben, von den sieben Kandidaten möchten drei das Präsidium übernehmen, zwei weitere potenzielle Mitglieder waren am Mittwochabend entschuldigt (Heidi Mosimann und Gabriela Weinig), und «Schaffhauser Nachrichten»-Redaktor Mark Gasser blieb die Befragung der zwei Anwesenden.
Thomas Erzberger (50) ist seit vier Jahren Schulpfleger der fusionierten Schulgemeinde und parteilos. Der Oberstammheimer sei erst eine Amtsperiode tätig, mindestens acht Jahre möchte er vorweisen, das gehöre sich so. Er beschäftigt sich unter anderem mit Finanzfragen – und wenn er der neuen Gemeinde (beziehungsweise der Schule) etwas schenken könnte, wäre das ein dritter Schulbus. Mit der Planung der Fahrpläne habe er sich in letzter Zeit intensiv beschäftigt…
Als Hardware-Entwickler ist Markus Schneider (45) tätig, er lebt in Waltalingen. Seit sechs Jahren ist er Schulpfleger, ihm ist ein gutes Zusammenspiel von Kindern, Eltern, Lehrern und Behörden wichtig. Zusammenarbeit, Gelassenheit und Ruhe wären es denn auch, die er der Gemeinde Stammheim schenken würde. Die Schule sei ein wichtiger Standortfaktor im Ort (oder den Orten) – man müsse aber auch über den Tellerrand hinausblicken.
Mit guten Wünschen verabschiedeten sich die Kandidaten – allerdings nur, um einige Meter weiterzuwandern. Dort wartete der Apéro, an dem sich weitere Gespräche ergeben sollten. Die Wahl am 23. September dürfte der Anlass auf jeden Fall erleichtert haben.
Zeitungen erleichtern Behördenwahl