Weinland

Zum Baden bereit

Was macht glücklicher als ein Badibesuch? Ein Rheinbadibesuch. Der Autor dieses Textes hat Bäder und Schwimmplätze von Diessenhofen bis Dachsen getestet.

von Tizian Schöni
23. Juli 2024

Weicher Rasen, kühles Nass, der Geruch von Sonnencreme, Fritteuse und von der Sonne aufgeheizten Schwimmhilfen aus Plastik. Das sind die unverkennbaren Merkmale einer Badi, dieses grün-blauen Sommerparadieses.

Für einmal ist das Schweizerdeutsche hier weniger präzise als die Standardsprache. Dort heisst die öffentliche Einrichtung nämlich «Freibad». Frei von Anstrengung, frei von Stress und – als kleiner Bonus – meistens frei von Hunden. Das Freibad ist so etwas wie die DIN-Norm für Dolce Vita.

Doppelbadi Diessi
Die erste Badi, die unsere Reisegruppe ansteuert, sind eigentlich zwei. Auf Schweizer Seite die «Badi Diessi», auf deutscher das «Rheinstrandbad» in Gailingen. Wir bleiben vorerst auf unserer Seite und parkieren die Velos ein paar Meter entfernt vom vor der Saison renovierten Betriebsgebäude. Der Eintritt ist frei, in den Kabinen riecht es noch nach frisch geschnittenem Holz. Am Kiosk wird Espresso aus der Siebträgermaschine serviert. Zwei davon inklusive Süssigkeitensäckli kosten neun Franken, der Mix aus bitterem Koffein, saurer Schlange und dem kühlen Rhein bleibt unbezahlbar. Der hohe Wasserpegel des Flusses (zum Besichtigungszeitpunkt: 890 m3/min) ermöglicht einen ebenerdigen Einstieg, das einzige Risiko stellt die Betonplattform dar, die den badeigenen Schwimmbereich eingrenzt. Denn wer von aussen auf sie zutreibt, begegnet der Plattform derzeit auf Kopfhöhe. Für alle, die kein Risiko eingehen möchten, lädt ein brandneues, von Holzlamellen umrahmtes Planschbecken zum Verweilen ein.

Liegewiese Laag
Die zweite Destination ist eigentlich keine Badi, sondern eher ein Badeplatz auf deutscher Seite, etwa einen Kilometer unterhalb von Diessenhofen. Infrastruktur ist keine zu erwarten, dafür Ruhe an der «Laag» bei Dörflingen. Vom idyllischen Kiesstrand ist leider nichts zu sehen, für einen kurzen Schwumm reicht es trotzdem. Wer gerne seine Ruhe hat, ist hier richtig.

Von der «Büba» zum Lido
Eine Einheimische weiss es besser: «Früher hiess es ‹Büba›, heute Lido». Vor zwei Jahren ist das Strandbad nämlich nicht nur um- sondern gleich neu gebaut worden. Das alte musste nach fast 90 Jahren weichen. Und die Ortschaft heisse auch nicht Büsingen, sondern Büesingen, mit einem betonten E. Die deutsche Enklave ist vollständig von Schweizer Hoheitsgebiet umgeben, entsprechend scheint man dort um Anschluss an die Alpenwelt bemüht. Mutmasslich aus diesem Grund ist die bestellte Currywurst mit Pommes (16.50 Franken) auch aus einer Kalbsbratwurst zubereitet. Im zum Esstisch umfunktionierten Weidling schmeckt sie gleich noch besser.

Leider muss die Liegewiese an diesem Morgen mit ein paar Schwänen und deren Exkrementen geteilt werden. Doch sogar dafür scheint die «Büba», entschuldigung, der Lido eine Lösung zu haben. Der Zwergspitz einer Angestellten verscheucht die über zehn Kilo schweren Vögel zuverlässig.

Fest am Lindli
Lunas Crêpes heisst die Bar, die auf der Schaffhauser Seite des Rheins gleich am Anfang des Lindliparks liegt. Regelmässig finden dort im Sommer Konzerte statt. An diesem Vormittag trinken pensionierte E-Biker Apfelschorle, junge Eltern Flat White und ihre Kinder die hausgemachte Zitronenlimo. Den Ausblick aufs Wasser geniessen sie alle zusammen. Hier im Rhein zu schwimmen, wäre die letzte kostenlose Möglichkeit vor dem Wehr; ab der Eisen­bahnbrücke etwa 500 Meter weiter ist das Baden strikt verboten, eine Ausnahme bildet das Kastenbad auf Höhe der Schaffhauser Altstadt. Etwas weiter Richtung Stadt findet regelmässig Anfang Juli das «Lindlifäscht» statt – zu den Konzerten, Partys und für die Essensstände kamen dieses Jahr 60'000 Personen.

Rhybadi: Sehen und gesehen werden
Die Holzplanken sind die Riviera Schaffhausens: Ledergegerbte Senioren mit schulterlangem weissem Haar  flirten mit stark geschminkten Damen, Möchtegern-Intellektuelle breiten ihre Bücher- und Zeitschriftenstapel plakativ auf dem Badetuch aus. Und auf dem Baumstamm, der an einem Seil festgemacht in der Mitte des Bades treibt, kämpfen junge Männer um Anerkennung und darum, wer am längsten oben bleibt. Allein für dieses Spektakel hat sich der Eintrittspreis von vier Franken bereits gelohnt. Einziger Wermutstropfen: Das Sprungbrett ist gesperrt, weswegen wohl viele weitere furchtlose athletische Zurschaustellungen ausbleiben. Zeigen darf sich dafür die breite Getränkeauswahl am Badikiosk. Exklusiv dort erhältlich ist ein Pale Ale der Neuhauser Brauerei Hope. Das Barschwasser (kein Witz) geniesst unsere Reisegesellschaft zusammen mit viel Frittiertem, es werden aber auch abwechslungsreiche Mittagsmenüs für 16.50 Franken angeboten.

Die Sonnenschirme auf der Liegeplattform bleiben in unserem Fall zugeklappt, zu verlockend ist die warme Mittagssonne. Das rächt sich: Jeder Flecken uneingecremter Haut schimmert bald in leichtem Rot.

Die Tarzane der «Fluba»
Von Heimweh geplagt wendet sich unsere Reisegruppe wieder dem Zürcher Weinland zu. Deshalb geht es über die Rheinbrücke und auf der Südseite des Flusses vorbei am Flurlinger Wehr und unter der Autobahn hindurch. Der zuweilen schmale Kiesweg ist problemlos mit dem Velo befahrbar. So gelangen wir zur «Fluba», die anders als die «Büba» keinen Eintritt will, aber auch mehr Badeplatz als echte Badi ist. Trotzdem: Duschen, eine lange Liegewiese und verschiedene Einstiege in den Rhein sind vorhanden.

Für Abenteuerlustige hat der Badeplatz einiges zu bieten. Legal darf von der Flurlinger Strassenbrücke (nicht der A4-Brücke) gesprungen werden, sofern kein Schiff in der Nähe ist, wie die «Schaffhauser Nachrichten» 2018 schrieben. Etwas unterhalb der «Fluba», in der Nähe des «Rheintalgartens» und des Bistros Carcajou gibt es zwei Schwingen, um sich etwas weiter als gewöhnlich in den Fluss hineinplumpsen zu lassen. Beim aktuellen Wasserstand eignen sich diese Installationen jedoch nicht für Erwachsene – selbst mit angezogenen Beinen landet man schnell im Wasser.

Im «Carcajou» lässt der Apéro etwas auf sich warten, doch die ruhige und schattige Lage unter einer grossen Linde und der freundliche Service machen die Zeit angenehm.

«Geheimtipp» Bachdelle
Im Sommer 2009 schaffte es die Dachsemer Badi in die «NZZ». Seit da ist der «Geheimtipp» an Wochenenden übervoll, die Eintrittspreise sind von vier auf sechs Franken gestiegen, und eine Winterthurer Kollegin, die bei unserem Besuch zufällig ihren Geburtstag dort feiert, versichert: «Aber ich bin echt mega viel hier.» Schön ist die Bachdelle trotzdem geblieben. Und das Pächterpaar Michelle Murri und Rick Odermatt (AZ vom 23.12.2022) tut alles, damit auch der Magen auf seine Kosten kommt. Auf jeden Fall verspeist der Kollege seinen Vegiburger innert Sekunden.

Etwas unbequem ist stets der Fussmarsch auf dem spitzen Kies bis hoch zum Bunker, wo dann aber ein Geländer und Stufen bereitstehen, um sanft ins Wasser hinabzugleiten. Wer sich traut, kann (auf eigene Verantwortung) vom sechs Meter hohen Bunker springen. Und die vorbeifahrenden Passagierschiffe ruhig per Handzeichen zum Applaus auffordern.

Nach einem langen Tag im Rhein und auf dem Velosattel gibt es nur noch etwas zu tun: endlich entspannen. Dafür genügen ein trockenes Tüechli und eine moosfreie Liegewiese.

Geniessen Sie es!

Rutschig, aber ungefährlich, wenn man einmal sitzt: Planschbecken in der Schaffhauser Rhybadi.
Rutschig, aber ungefährlich, wenn man einmal sitzt: Planschbecken in der Schaffhauser Rhybadi. / Tizian Schöni

Obacht: Strömung, Hindernisse, Treibgut

In dieser Saison forderte der Fluss bereits mehrere Tote in unserer Region (AZ vom 12.7.2024). Im Rhein zu baden, ist nicht ungefährlich. Das beginnt schon beim Ein- und Ausstieg: Algenbewuchs auf den Treppen sorgt für rutschige Stellen. Und beim aktuellen Abfluss (vergangene Woche waren es rund 850 m3 pro Sekunde) sollten mögliche Ausstiegspunkte schon vor dem Sprung ins Wasser bekannt sein. Denn der Rhein fliesst dann je nach Strömung mit über drei Metern pro Sekunde. Wer also zehn Meter vom Ufer entfernt schwimmt, muss bereits etwa 40 Meter vor dem Ausstieg beginnen, zurückzuschwimmen. Die Schweizerische Lebensrettungsgesellschaft SLRG empfiehlt das Schwimmen in Fliessgewässern nur «guten und geübten Schwimmern». Allen anderen wird ein sicheres Badeerlebnis in Diessenhofen, Dachsen oder in der Schaffhauser Rhybadi garantiert. In den beiden ersteren gibt es separate, untiefe Becken, die Bachdelle in Dachsen ist zusätzlich von einem Bademeister beaufsichtigt. In der Rhybadi sind zwei maximal 60 Zentimeter tiefe Becken vorhanden. Etwas weiter stromabwärts gibt es das Rheinauer Hallen- und Freibad Aquarina und die Flaachemer Badi. (tz)

Dem Rhein entlang

Verkehrsweg, Grundwasserträger, Schauplatz von Märchen und Sagen: Der Rhein hat viele Gesichter. Für unsere fünfteilige Sommerserie ist er für einmal kühlender Bade-, Ausflugs- und Ruheort. Für den zweiten Teil sprang der Autor in allen Badis zwischen Diessenhofen und Dachsen ins Wasser. (az)

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